: Ein massives Nein aus Spanien
In 56 spanischen Städten schließen sich über vier Millionen Menschen, zehn Prozent der Bevölkerung, den Protesten an. Eine Absage an die Politik der Aznar-Regierung
MADRID taz ■ „Asesinos, asesinos!“ – „Mörder, Mörder!“ rief der Abschlussredner, der spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar, vom Podium. „Asesinos, asesinos!“ hallte es hunderttausendfach zurück. Der Ruf, der sonst auf den Demonstrationen gegen die baskische Separatistenorganisation ETA zu hören ist, galt am Samstagabend der Regierung von José María Aznar. Eine Million Menschen demonstrierten in Madrid gegen den geplanten Irakkrieg. 1,3 Millionen taten in Barcelona das gleiche, 300.000 in Zaragoza, 280.000 in Valencia, 160.000 in Bilbao … Insgesamt schlossen sich über vier Millionen Menschen, zehn Prozent der Landesbevölkerung, den Protesten in 56 spanischen Städten an.
Es war ein massives Nein zu der bedingungslosen Unterstützung der konservativen spanischen Regierung für die Pläne der USA und Großbritanniens, das eindrucksvoll die neuesten Umfragen unterstrich. 75 Prozent der Bevölkerung stimmen mit den Demonstrierenden überein. Nur ganze zwei Prozent unterstützen einen Alleingang der USA gegen den Irak.
Die treibende Kraft der spanischen Antikriegsbewegung sind die Künstler. Seit sie die Live-Übertragung der Verleihung der spanischen Filmpreise Goya vor wenigen Wochen für ein deutliches „no a la guerra“ nutzten, sind sie aus dem Straßenbild Madrids nicht mehr wegzudenken. Sie verkaufen Anstecker, T-Shirts und sammeln Unterschriften, allen voran der spanische Oscar-Preisträger Pedro Almodóvar, der auch dieses Jahr wieder als bester Regisseur und für das beste Drehbuch nominiert ist.
Der spanische Regierungschef, der noch am 30. Januar einen Brief von acht europäischen Staaten gegen die französisch-deutsche Haltung im Irakkonflikt initiiert hatte, zeigt sich von den Protesten unbeeindruckt. Am Tag vor den Demonstrationen ließ Aznars Volkspartei (PP) allen großen Tageszeitungen des Landes ein Faltblatt beilegen, das diese Haltung der Bevölkerung nahe bringen sollte. „Ein Nein zum Krieg ist gut, aber das genügt nicht, um Konflikte zu verhindern“, erklärte Aznar gestern in einem dreiseitigen Interview mit der konservativen Tageszeitung ABC einmal mehr. Die spanische Regierung ist auch weiterhin bereit, einen US-Angriff ohne UN-Mandat militärisch zu unterstützen.
Dank der sturen proamerikanischen Haltung der Regierung liegt die sozialistische Opposition erstmals seit 1996 bei den Umfragen wieder vorn. Der Vorsitzende der sozialistischen PSOE, José Luis Zapatero, weiß dies. Er demonstrierte mit zahlreichen anderen Politiker seiner Partei in den ersten Reihen mit. Vergessen scheint die Kampagne der Sozialisten, die Spanien in den Achtzigerjahren gegen massive Proteste ganz knapp in die Nato führte. Vergessen auch die Disziplinarmaßnahmen, die die Sozialisten an der Regierung gegen Beamte, die sich beim letzten Konflikt am Golf 1991 gegen den Krieg aussprachen, verhängten. REINER WANDLER