: „Der Schwung muss erst wirksam werden“
Die Großdemo vom Wochenende zu wiederholen ist kontraproduktiv, sagt die Mitorganisatorin Kathrin Vogler vom Bund für soziale Verteidigung: Der Protest gegen einen möglichen Irakkrieg muss jetzt in die Breite gehen
taz: 500.000 Demo-Teilnehmende am Samstag – das ist so schnell nicht wieder zu erreichen. Wird es in nächster Zeit noch einmal so viele Menschen auf die Straßen ziehen?
Kathrin Vogler: Wir werden jetzt nicht gleich wieder eine Großdemo übers Knie brechen wollen, zu der dann nur noch 50.000 Menschen kommen. Das wäre kontraproduktiv. Ich denke, dass es jetzt darauf ankommt, von der Organisation der Antikriegsveranstaltungen her mehr dezentral in die Breite zu gehen. Nach dem nächsten Blix-Bericht in zwei Wochen wollen wir die Entwicklung neu auswerten und dann erst entscheiden, wie’s weitergeht.
Was ist zunächst wichtig?
Den Schwung und die Ermutigung, die die Leute sich aus Berlin abgeholt haben, müssen jetzt erst mal Gelegenheit bekommen, vor Ort wirksam zu werden. Das, was erreicht wurde, müssen wir jetzt versuchen abzusichern, indem wir den Menschen Handlungsmöglichkeiten über die Großveranstaltung hinaus anbieten.
Also, wie Sie sagen, in die Breite gehen?
In Schulen, Betrieben, Hochschulen, Kirchengemeinden. In den meisten Orten sind Aktionen ja auch schon angelaufen oder geplant, wie zum Beispiel die Blockade der Rhein-Main-Airbase am kommenden Wochenende.
Wann wird es denn die nächste bundesweite Aktion geben?
Ich gehe davon aus, dass es in diesem Jahr noch weitere Aktionen geben muss.
Was wird am Tag X passieren, an dem ein Krieg möglicherweise ausbricht?
Dafür gibt es schon seit längerem die Planung, sich um 17 und um 18 Uhr, lokal unterschiedlich, in allen Städten auf zentralen Plätzen zu versammeln. Dort kann man dann ganz spontan seine Empörung zum Ausdruck bringen. An dem unmittelbar darauf folgenden Samstag wird es dann sicherlich regional größere Demoaktionen in Berlin, Hamburg, Köln usw. geben. Und noch eine Woche später wahrscheinlich wieder eine bundesweite Veranstaltung.
Kommt nach dem großen Wir-Gefühl jetzt der regionale Wettbewerb von tollen Antikriegsaktionen?
Ich empfinde die Stimmung im Augenblick so, dass es eine große gegenseitige Toleranz von Aktionsformen gibt, soweit sie sich im gewaltfreien Bereich bewegen. Die jetzigen Organisatoren haben keinen Monopolanspruch. Man versteht es als Angebote, zu denen man kommen kann oder nicht. Es gibt jetzt schon so viel, dass selbst nicht Berufstätige gar nicht überall teilnehmen könnten.
Welche Aktionskonzepte gibt es in der Friedensszene?
Es gibt natürlich unterschiedliche Vorstellungen, zum Beispiel, aktionsbezogen zusammenzuarbeiten. Parallel dazu gibt es Bemühungen, eine längerfristige, strategisch inhaltliche Zusammenarbeit ins Leben zu rufen. Da geht es darum, nicht jedes Mal, wenn ein Krieg droht, reaktiv ein neues Bündnis zu schmieden. Vielmehr sollte dabei das Ziel sein, längerfristig die politischen Machtverhältnisse in Richtung Abrüstung und Gewaltfreiheit zu verschieben.
INTERVIEW: A. WOLTERSDORF