: Feuer & Flamme für den Kita-Schlechtschein
Aufs Spiel setzen und auf Spiele setzen: Bürgerschaft debattiert über Kita-Bedarf und Olympia-Bewerbung
Manche Leute reden sich um Kopf und Kragen. Marcus Weinberg (CDU) und Stephan Müller (Schill) erklärten gestern in der Bürgerschaft das geplante Kita-Gutscheinsystem für wenig sinnvoll. Unfreiwillig zwar, aber dennoch so unmissverständlich, dass ihr Koalitionspartner Wieland Schinnenburg (FDP) arge Mühe beim Versuch der Schadensbegrenzung hatte.
Das von der Rechts-Koalition zum 1. August geplante neue Vergabesystem für Kita-Plätze sei „gerecht und bedarfsgerecht“, biete aber keine 100-prozentige Deckung, so Weinberg, denn „es fehlt an Geld“. Und er wisse nicht, „wo wir das hernehmen sollen“. Für das Optimum würden 50 Millionen Euro gebraucht, gestand Müller ein, „aber das haben wir nicht“. Und wo es „neun Stühle für zehn Leute gibt, muss einer eben stehen“: Kita-Plätze als Reise nach Jerusalem. Da musste Schinnenburg mächtig um Worte ringen, um seinen Kita-Senator Rudolf Lange (FDP) nicht im Regen stehen zu lassen. Und deshalb sagte er, was Liberale vorsichtshalber immer sagen: Effizienz, Gerechtigkeit und Wettbewerb seien die Merkmale der Neuerung, die zum „bundesweiten Vorbild“ tauge.
Genau das eben nicht, widersprach Rot-Grün ebenso zahl- wie wortreich. Selbst der neue SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer nutzte das Thema für seine erste Rede als Oppositionsführer. Er prophezeite „Warteschlangen vor Kitas statt Wahlfreiheit der Eltern“ und warf dem Senat vor, die Rechte von Eltern und Kindern „einzuschränken“. Und gar „die Zukunft Hamburgs aufs Spiel zu setzen“, wie Christa Goetsch und Sabine Steffen von der GAL wähnten. Die heftigen öffentlichen Proteste müssten den Rechts-Senat eigentlich „zur Besinnung“ bringen, hofften sie. Wenn nicht, setzten die bereits mehr als 22.000 Unterschriften unter eine Volksinitiative gegen die Kita-Pläne ein deutliches Zeichen, dass „diese Politik gegen Kinder und Frauen und Eltern nicht akzeptiert“ werde.
Thomas Böwer (SPD) rechnete vor, dass 30.000 Berufstätige Kita-Plätze für ihre Kinder bräuchten, „aber 19.000 werden keine bekommen“. Um den Schaden zu begrenzen gebe es nur eine Chance, so Böwer: „Stoppen Sie Ihren Gesetzentwurf.“ Schwarz-Schill blieb unbeeindruckt. Am 5. oder 6. März soll die Vorlage wie geplant zur ersten Lesung in die Bürgerschaft eingebracht werden.
Nach eineinhalb Stunden Streit rang sich das Parlament zu einer Demonstration von Einigkeit durch. Einstimmig beschloss die Bürgerschaft eine Entschließung des Inhalts, dass Olympische Spiele in Hamburg das Oberaffengeilste aller Zeiten sei.
Am 12. April befindet das Nationale Olympische Komitee darüber, welche deutsche Stadt ins internationale Rennen geschickt wird. Am 1. August wird das Kita-Gutscheinsystem in Hamburg eingeführt. Zwei entscheidende Daten für die Zukunft dieser Stadt. SVEN-MICHAEL VEIT