: Bremen ist nicht Shanghai
Noch bis zum November regieren im Viertel die Presslufthämmer. Die Händler versuchen, ihren Frieden mit dem Remmidemmi zu finden: „Die Baustelle muss sein. Und sie ist geschäftsschädigend“
taz ■ „Ich dachte, das wäre wie in China – mit 50 fleißigen Händen und so. Jetzt sehe ich hier nur ein, zwei Leute.“ Günther Schwiering vom Einzelhandelsgeschäft Holtdorf ist enttäuscht. Aber Bremen ist nicht Shanghai, der Umbau der Tram-Gleise nicht der Neubau der Transrapid-Strecke. Etwas gemächlicher, dafür aber abgestimmt mit den AnwohnerInnen.
In China wurde weggebulldozert was ging, in Bremen gibt es eine Hotline zum Beschweren. Gleich am Montag früh um sieben hat Schwiering angerufen. Er konnte seine Ware nicht anliefern. Immerhin: „Da kam sofort einer, um zu helfen. Jetzt gibt es vor dem Kino und in der Bauerstraße nur noch eingeschränktes Halteverbot.“ Trotz Presslufthämmern und des Gitterzaunes, der „irgendwie aussieht wie im Hochsicherheitstrakt“ – Händler Schwiering hat vorerst seinen Frieden mit dem Remmidemmi vor seinem Laden gefunden.
Mittwoch, Tag 3 nach Beginn der heiß diskutierten Viertel-Baustelle. Bis Mitte November werden kleine Teile von O-Weg und Dobben sowie das Steintor wegen akut maroder Schienen, dem Abwasserkanal, Strom- und Gasleitungen umgebuddelt. Noch ein Kaufhindernis für das ohnehin gebeutelte Viertel, stöhnten viele Händler – und setzten durch, dass Mitte November Schicht mit der Baustelle am Ziegenmarkt ist. Erst 2007 soll es weitergehen.
Christian Siemer vom Berufskleidungsgeschäft Von der Aa ist Realist. „Die Baustelle muss sein. Und sie ist geschäftsschädigend“, sagt der Mann, der auch im Vorstand der Interessengemeinschaft Viertel (IGV) sitzt. Heute beraten die Händler mit Mitarbeitern des Bauressorts über das Baustellen-Marketing.
Immerhin 200.000 der insgesamt 1,4 Millionen Euro Gesamtkosten sollen dafür bereitstehen. Außerdem sollen sich die Händler beteiligen. Genau das ist umstritten. „Ich rufe alle auf: Macht mit, verzagt nicht“, sagt Siemer. „Buddel ist gelaufen, das ist negativ mit Baustelle belegt“, meint er zum Umbau-Maskottchen der City. Stattdessen schweben ihm Aktionen wie „ein Frühlingsfest, ein Sonderverkauf oder ein offener Sonntag vor.“
Auf jeden Fall soll es bald Tram-Werbung für das Viertel geben – genau wie kostenlose Parkplätze oder die 26 Schilder, die den Verkehr um die Baustelle leiten sollen, ist das alles Teil der baubegleitenden Maßnahmen, mit denen die Leiden der Viertel-Händler gelindert werden sollen.
Ob sie den Kern des Problems allerdings treffen, ist ungewiss. Viele Leerstände, immer weniger Kaufmagneten – darunter leidet Bremens Lieblingskiez seit Jahren. Und dann noch die Krise des Einzelhandels überhaupt. Hoffnungsschimmer gibt es wenige – wie das Reformhaus Ebken von der Hamburger Straße, das im Januar eine Filiale im O-Weg eröffnet hat. „Es ist jetzt sehr ruhig geworden“, sagt die Verkäuferin zur Baustelle. Dennoch ist sie optimistisch: „Wir halten durch.“
„In den Siebzigern arbeiteten hier fünf Leute“, sagt Werner Buhk – und man kann sich kaum vorstellen, wie es früher im kleinen Blumenladen des 68-Jährigen gebrummt haben muss. „Da drüben“, raunt Buhk und zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite, „kommen die Politessen schon um fünf nach sechs und schreiben auf. Das ist doch paradox!“ Klar, die Parkplätze fehlen – das alte Argument der Händler. Und dann kommt Buhk auf Ortsamtsleiter Robert Bücking zu sprechen: „Der will ja hier eine Fußgängerzone!“ Buhk steckt ein bisschen drohend den Finger in die Luft und sagt halb ernst, halb Scherz „Wenn er das macht, reißen wir ihn vom Fahrrad.“ Kai Schöneberg