: Kleiner Krieg unter Friedliebenden
Oft genug marschieren sie vereint: Lea Rosh und Friedensfreunde. Jetzt werfen Prominente um Rosh den Demonstranten vom Wochenende Antiamerikanismus und Naivität vor. Die Beschuldigten kontern – und sehen einen „Beitrag zur Kriegslogik“
von PHILIPP GESSLER
Empört reagiert die neue Friedensbewegung auf einen offenen Brief, der die Antikriegsdemonstrationen vom Wochenende scharf kritisiert hatte. Das Schreiben „Wider die politische Naivität“, initiiert vom Berliner „Bündnis gegen Antisemitismus“ (BgA), haben unter anderem der Schriftsteller Ralph Giordano, die Publizistin Lea Rosh, der Harvard-Gelehrte Andrei S. Markovits, der Münchener Historiker Michael Wolffsohn und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, unterschrieben.
In dem offenen Brief heißt es unter anderem zur Kundgebung von 500.000 Friedensbewegten in der Hauptstadt: Auf der Demonstration seien auch „israelfeindliche Sprechchöre“ zu hören gewesen. „Daneben wurde auf Transparenten Israel als Strippenzieher im Irakkonflikt halluziniert, wurden seine Politiker als ,Kindermörder‘ beschimpft.“ Es habe ein „diffuser Friedensbegriff, in Verbindung mit antiamerikanischen Feindbildern“ vorgeherrscht: „Geprägt war die Demonstration jedoch vor allem durch eine gefährliche Mischung aus Antiamerikanismus und politischer Naivität.“
Das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn wies diese Vorwürfe zurück. Es sei „schmerzlich“, dass solche „pauschale Kritik“ von Persönlichkeiten komme, mit denen man sonst gegen Antisemitismus und Rassismus eintrete: Die Demonstranten seien um die Menschen im Irak besorgt wie um einen möglichen Flächenbrand im Nahen Osten, der auch Israels Sicherheit gefährde. Bei den Protestierenden handele es sich nicht um „Naivlinge mit einem ,diffusen Friedensbegriff‘ “: „Eine Diffamierung der Friedensdemonstranten – egal von welcher Seite – ist in dieser heiklen Situation ein Beitrag zur Kriegslogik.“
Im Gespräch mit der taz bekräftigen die Unterzeichner des offenen Briefes ihre Vorwürfe: „Der Ton macht die Musik“, sagte Markovits, der nicht auf der Demo war, die Debatte in Europa passe in „antiamerikanische Schemata“. Hierzulande habe sie einen „hässlichen Dresdner Overdrive“, meinte Markovits in Anspielung auf die Auseinandersetzung um die Bombardierung der Stadt. Lea Rosh kritisierte: „Die Demonstration war antiamerikanisch. Nicht Saddam Hussein und sein Mord-Programm, sondern Bush war angeklagt.“ Giordano, der sich auf TV-Bilder bezog, warf der Friedensbewegung einen „hohen Grad an Unglaubwürdigkeit“ vor: Sie empöre sich nicht über den „Erzschurken Saddam“.
Wolffsohn sagte, er habe ein Foto von einem Plakat auf der Friedensdemo gesehen, auf dem es hieß: „USA – 3. Reich / Ihr seid euch so gleich“. Er gehöre zwar nicht zu denen, die schnell „Antisemitismus“ schrien. Hier aber sei es schon „lange nach den Anfängen“, denen man wehren solle. Brenner betonte, dass sicherlich „70 Prozent“ der Demonstranten „gutmeinende Bürger“ gewesen seien. Angesichts verschiedener Plakate habe er aber ein „ungutes Gefühl“. Gefreut hätte ihn, wenn es eine ähnliche Demonstration auch gegen Saddam Hussein gegeben hätte.