: Steingers Jahresrüttbrück
Nordrhein-Westfalens Spitzenpolitiker starten zu Neujahr eine Kuschelattacke. Ministerpräsident Steinbrück schleimt Ehrenamtliche an, CDUler Rüttgers entdeckt seine Kinderliebe wieder
VON MARTIN TEIGELER
Ministerpräsident und Oppositionsführer überboten sich bei ihren Neujahrsbotschaften gegenseitig. Mit salbungsvollen Worten und kalenderreifen Sprüchen schmissen sich Regierungschef Peer Steinbrück (SPD) und Herausforderer Jürgen Rüttgers (CDU) ans nordrhein-westfälische Wahlvolk heran. Der Christdemokrat will 2004 „zum Jahr der Kinder“ machen, Sozialdemokrat Steinbrück bedankte sich „von ganzem Herzen“ bei allen Menschen, die ein Ehrenamt inne haben. „Ohne Ihr Engagement wäre unser aller Leben sehr viel kälter“, machte der Ministerpräsident passend zum Neujahrsfrost eine rhetorische Wärmestube auf.
Steinbrück forderte alle Bürger auf, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Der Lohn dafür ist nicht in Euro und Cent zu bemessen“, sagte der Amtsinhaber (Jahreseinkommen: rund 170.000 Euro). „Die Freude und Dankbarkeit derjenigen, für die Sie etwas getan haben, ist ungleich kostbarer.“ Dass die Landesregierung im Haushalt massive Einsparungen vornimmt und so bürgerschaftliches Engagement im sozialen und kulturellen Bereich behindert, verschwieg der Ministerpräsident. Statt dessen beschloss Steinbrück sein Grußwort mit einem variierten Kennedy-Zitat: „Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr ‘Wir‘ und weniger ‚Ich‘.“
Die CDU-Opposition will Familien mit Kindern in den Mittelpunkt ihrer Politik für 2004 rücken. „Wir wollen Bedingungen schaffen, unter denen Familien sich wieder für Kinder entscheiden“, schrieb CDU-Landes- und Fraktionschef Jürgen Rüttgers in seiner Erklärung zum neuen Jahr. „Nordrhein-Westfalen braucht eine große Bildungsreform. Wir wollen Leistungseliten, keine Herkunftseliten.“
Die Kinderliebe des Oppositionsführers erinnert an den Landtagswahlkampf 2000. Damals hatte Rüttgers mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ geworben. „Ein Land ohne Kinder ist ein Land ohne Zukunft“, so Rüttgers anno 2004. Ohne Kinder verschwinde ein Großteil der Lebendigkeit, der Neugier, der Zukunftsgewandtheit und nicht zuletzt der Hoffnung und Liebe aus unserem Land. Zu den indischen Mitbürgern äußerte sich der Konservative dieses Jahr nicht. Dafür aber zum Thema Kohleförderung: „Bei Kindern und behinderten sparen und gleichzeitig Millionen für teure Imagekampagnen und Milliarden für neue Kohlesubventionen ausgeben, das passt nicht zusammen.“
Grüne und FDP machten bei der großen Polit-Ranschmeisse nicht mit. Die Kleinparteien verzichteten diesmal auf Neujahrsansprachen.