Sieg des Sonnengottes

Je aussichtsloser ihre Finanzlage ist, desto mehr lieben die BremerInnen ihren strahlenden Bürgermeister Scherf

bremen taz ■ Am 25. Mai hatten die Bremer die Wahl – aber wenn es nach der Mehrheit der Wahlberechtigten gegangen wäre, hätte man sich den Urnengang sparen können. Auch die Parteien wollten nicht wirklich, sieht man von der kleinen gallischen Grünen-Gruppe ab, die in Bremen Opposition spielen: Der Bürgermeister und Präsident des Senats, Henning Scherf (SPD), wusste schon Monate vor der Wahl, dass seine Partei nur wegen seiner strahlenden Popularität siegen würde. Eigentlich hatte nur die eine Sorge, dass der Partner CDU darunter so sehr leiden könne, dass die große Koalition in Gefahr geriete.

Denn Scherf, einst bundesweit als SPD-Linker bekannt, war nach einem innerparteilichen Wahlkampf für Rot-Grün 1995 ins Rathaus gekommen und ist zum bekennenden Vertreter der großen Koalition geworden. Sie macht die Demokratie so bequem, die Senatssitzungen dauern kaum 25 Minuten, wenn Entscheidungen erforderlich sind, fallen sie im „Schwartauer Kreis“, einer Frühstücksrunde der Senatoren und wichtiger Beamter vor der eigentlichen Senatssitzung.

Die Bremer lieben diesen aristokratischen Regierungsstil, der Präsident des Senats strahlt mit seinem alles umarmenden Lächeln Zuversicht aus und eine Alternative zum „weiter so“ wird in dem seit Jahren völlig überschuldeten Städtestaat nicht gesehen.

Bei der Bürgerschaftswahl wurden die Sozialdemokraten mit 42,3 Prozent stärkste Partei – wenn Scherf als Person zur Wahl gestanden hätte, hätte er mindestens zehn Prozent mehr bekommen. Denn sein Widerpart, der aus Hamburg stammende Christdemokrat Hartmut Perschau mit der Ausstrahlung eines Oberst der Reserve, hat sich aus der erdrückenden Umarmung Scherfs nie lösen können. Die CDU, in Bremen nie besonders stark, rutschte von 37 auf 29,8 Prozent zurück. Das war nicht nur zahlenmäßig eine Niederlage, es war auch eine politische. Denn die Union hat mit Wirtschaft und Finanzen die beiden „harten“ Schlüsselressorts im Sanierungsland Bremen besetzt – und konnte daraus offenbar kein politisches Kapital schlagen.

Dass die Sanierungshilfe des Bundes im Jahre 2004 zum letzten Male kommt, die Staatsfinanzen aber so weit von einem „sanierten“ Zustand entfernt sind wie zu Beginn der Hilfezahlungen vor zehn Jahren, scheint bei der Wahl keine Rolle gespielt zu haben. Scherfs Interpretation des Wählerwillens: „Kein Hickhack und ein ,Halte Kurs'.“

klaus wolschner