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Archiv-Artikel

Das doppelte Schmidtchen

Der Mann, der Harald Schmidt das Wasser reichen kann: Sven-Olav Schmidt (35) sorgt regelmäßig dafür, dass sein Chef nicht verdurstet. Fruchtgummi-Designer wäre er gerne geworden – und ist heute Requisiteur in der „Harald Schmidt Show“

„Wenn Harald nicht wollte, dass ich das Wasser bringe, wäre das auch nicht so“

aus den Kulissen des Studios 449 in Köln MARTIN WEBER

Der Ablauf ist immer ein und derselbe: Der Zopf tragende Mann kommt rein, stellt dem grau melierten Mann mit der Brille ein Glas Wasser auf den Schreibtisch, erntet dafür ein „Danke, Sven“ und verschwindet in Sekundenschnelle wieder im Off. Vier Mal pro Woche passiert das, und als dezente Variation des Rituals gibt es in diesen schwierigen Zeiten auch mal ein „Thanks, Sven“ – immer dann nämlich, wenn der Wassertrinker aus Leidenschaft zuvor ein grundsympathisches Mitglied der US-Regierung durch die Ironie-Mangel gedreht hat.

„Der scharfe Sven“, so der Bühnenname von Deutschlands derzeit berühmtestem Wasserträger, sorgt dafür, dass sein Chef nicht der Dehydrierung anheim fällt, heißt im Leben außerhalb des Farbfernsehens Sven-Olav Schmidt, ist 35 Jahre alt und arbeitet als Requisiteur bei der „Harald Schmidt Show“. Wie er samt seines Vornamens zu dem eindeutig erotisch besetzten Attribut „scharf“ gekommen ist, kann Sven-Olav Schmidt nicht mehr eindeutig eruieren. „Aber ich habe da so eine Mutmaßung“, sagt er, und sitzt dabei bestens gelaunt an einem freien Montag in seiner Dachwohnung, die klipp und klar offenbart: Der Mann ist Jäger und Sammler, und gejagt und gesammelt wird so ziemlich alles, was einem rechts und links des alltäglichen Lebenswegs begegnen kann. Aus Baustellen-Brettern kann man mordsmäßig stabile Regale bauen; die Leuchtmittel, die dereinst eine Massagebank illuminierten, spenden auch in der Küche entspannt-warmes Licht.

„Als die ersten Sendungen im Studio 449 in Köln-Mülheim waren, saß ich hinter der Bühne, da, wo auch die Gäste durchkommen. Weil es in dem Sommer so warm war, hatte ich obenrum nur mein Indonesienwestchen – und das Barbrüstige hat Harald wohl nicht so gut gefallen. Dass er mir dann den Spitznamen „Der scharfe Sven“ verpasst hat, war ein kleiner Wink für mich: Junge, zieh dich komplett an. Einer der Autoren hat den Spitznamen für einen Einspieler aufgegriffen, in dem ich nackt im Baumarkt einkaufen war – und danach hatte ich den Namen „scharfer Sven“ endgültig weg.“ Wie Sven-Olav zu Harald Schmidts Getränkekellner wurde, weiß er nicht so genau. „Das Wasser hab ich ihm schon länger hingestellt, allerdings nicht live on tape. Aus irgendeinem Grund hat mir dann die Aufnahmeleitung gesagt, bring ihm das Wasser in der Sendung. Keine Ahnung, ob das Haralds Idee war. Wenn Harald nicht wollte, dass ich ihm das Wasser bringe, wäre das aber auch nicht so.“

Wenn Sven Olav-Schmidt mal nicht aus Showgründen blank zieht oder seinem Cheffe reinstes deutsches Wasser serviert, werkelt er im Hintergrund. „Alles, was nicht täglich in der Show ist – sprich Haralds Schreibtisch, sein Bürostuhl, der Bühnenboden, die Deko – ist mein Job: Das muss ich besorgen, ich muss irgendetwas basteln oder selber herstellen.“ Zu Sven-Olav Schmidts Glanzleistungen beim Besorgen, Basteln und selber Herstellen gehören ohne Frage die Miniaturkulissen, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn sein Arbeitgeber mit Playmobil-Figuren historische Ereignisse erklärt, berühmte Opern nachspielt oder große Weltliteratur durch den Ironie-Kakao zieht. „Ich hab das fertige Skript der Autoren in meinem Fach liegen, die haben ihre Vorstellungen, ich hab meine – und so zieh ich dann los und kaufe ein, was für die Show gebraucht wird.“

Ein gern gesehener Kunde ist Sven-Olav Schmidt in einem ganz bestimmten Kölner Spielwarenfachgeschäft. „Wenn ich im ,Feldhaus‘ bin, hab ich immer eine Verkäuferin an meiner Seite. Der Service dort ist sehr gut, ich bin manchmal schon verwundert, dass sie mir nicht den roten Teppich ausrollen, wenn ich durch die Türe komme.“ Ein festes Budget hat Sven-Olav Schmidt für seine Einkäufe nicht. Eigenverantwortliches Arbeiten ist angesagt, wenn ihm etwas zu teuer erscheint, hält er Rücksprache mit der Produktion der „Harald Schmidt Show“. „Ich laufe meistens mit Bargeld durch die Gegend, wenn’s alle ist, geh ich zur Buchhaltung und hole neues.“ Klotzen statt kleckern ist trotzdem nicht das Prinzip der Show. „Wir sind schon darauf bedacht, dass es trashig ist, manchmal ist es ja auch schön, wenn’s stachelig und iggelig aussieht. Falls es doch mal darum geht, zu klotzen, passiert das meistens auf Ansage von Harald. Als wir zum Beispiel die Champagner-Nacht hatten, musste ich innerhalb von anderthalb Stunden lernen, wie man mit dem Säbel eine Magnum-Flasche Champagner köpft. Für die Probe hab ich eine Kiste Asti Spumante gekauft: Von sechs Flaschen hat’s bei zweien geklappt, die anderen vier hab ich brutal zerschlagen.“

Dass Sven-Olav Schmidt auch ganz ohne Champagnerflaschenköpfen im vergangenen Jahr schon mal Bestandteil einer kompletten Sendung war, hat er sich selbst eingebrockt. „Ich hatte mir schon 20 Wohnungen angeguckt und war total genervt von der Sucherei. Also hab ich ein Blatt ans Schwarze Brett gepinnt: ,Scharfer Sven sucht Wohnung.‘ Es hat dann genau zwei Tage gedauert, bis klar war: Bei der nächsten Wohnung, die du dir anguckst, sind wir mit der Kamera dabei.“ Seine aktuelle Wohnung hat Sven-Olav Schmidt ganz ohne die Unterstützung der „Harald Schmidt Show“ gefunden, unverhohlener Stolz auf die Sendung durchströmt ihn trotzdem bis in jede einzelne Spitze seiner gepflegten langen Haare. „Eigentlich bin ich ja Diplom-Designer, aber in dem Berufsbild hätte mir nur wenig gefallen. Ich hatte mal ein Vorstellungsgespräch bei Haribo, als Fruchtgummmi-Designer. Und ich hätte mir auch vorstellen können, bei Ferrero anzufangen und Kleinspielzeuge für die Überraschungseier zu entwickeln. Aber bei der ,Harald Schmidt Show‘, da hab ich meine ökologische Nische gefunden.“

„Ich bin ein großer Fan von Schmidt, ich verehre ihn“, sagt „Der scharfe Sven“ dann noch. „Ich fand’s großartig, wie er letztens mit dem Ford Mondeo den Bühnenrand kaputt gefahren hat. An so etwas hat er seinen Spaß, die Bühne durfte dann auch ein paar Tage nicht repariert werden, damit man in der Show noch sieht, dass er sie demoliert hat. Oder dieser Satz, mit dem er vor ein paar Wochen zur Reklame übergeleitet hat: ,Nach der Werbung zeigt Ihnen Manuel Andrack durch die Löcher in seinen Socken sein großes Herz.‘ Falls er aufhört, würde ich auf jeden Fall was anderes machen als Fernsehen.“ Hoffen wir inständig, dass beide Schmidts – der Arbeitgeber wie der Angestellte – ihren Jobs noch lange treu bleiben. Damit wir auch in Zukunft noch sagen können: Danke, Sven, thanks, Harald Schmidt.