: Häuslebauer, aufgepasst!
Der Bundestag hat die Kürzung der Eigenheimzulage beschlossen. Aber diese Reformist weder kinderfreundlich noch wirtschaftlich sinnvoll oder ökologisch durchdacht
Gestern hat der Bundestag über die Zukunft der Eigenheimzulage abgestimmt. Erwartungsgemäß haben dabei die Fraktionen der rot-grünen Regierungskoalition ihre Kürzungspläne durchgesetzt. Von der Kürzung der Eigenheimzulage versprechen sich Sozialdemokraten und Grüne eine Entlastung von rund 3 Milliarden Euro für Bund und Länder. Die Vorsitzende des Bundestags- Finanzausschusses, Christine Scheel von den Grünen, betonte im Vorfeld: „Die Eigenheimzulage ist der dickste Posten im Subventionsbericht.“
Diese Aussage ist zweifellos richtig – und doch muss sich die Regierung fragen lassen, ob ihre Reform tatsächlich so kinderfreundlich ist, wie SPD und Grüne behaupten. Wird sie nachweisbar den Bundeshaushalt entlasten und dabei positive ökologische Wirkungen und volkswirtschaftliche Effekte entfalten? Kommt sie den Wohnwünschen der Mehrheit der Bevölkerung entgegen? Die CDU/CSU hat angekündigt, den Kürzungen bei der Eigenheimzulage im Bundesrat nicht zuzustimmen. Aber wie könnte eine andere, wirklich zukunftsfähige Eigenheimpolitik aussehen?
Zunächst einmal soll die Reform der Eigenheimzulage vor allem Familien mit Kindern zugute kommen. Die gestern beschlossene Regierungsvorlage sieht vor, dass kinderlose Haushalte diese Zulage nicht mehr beanspruchen können – es sei denn, es stellt sich innerhalb von vier Jahren nach dem Immobilenkauf Nachwuchs ein.
Sofern Kinder im Haushalt leben, können Familien mit einem Einkommen bis zu 140.000 Euro (auf zwei Jahre berechnet, Alleinstehende 70.000 Euro) die Eigenheimzulage erhalten. Für ein Ehepaar mit zwei Kindern summieren sich die Zulagen binnen acht Jahren auf maximal 20.800 Euro. Bei einem vergleichbaren Fall belief sich die alte Eigenheimzulage auf fast 32.700 Euro. Bauende Familien mit Kindern müssen sich beim Regierungsvorhaben also auf deutlich geringere Zulagen einstellen. Kinderfreundlich kann sich das Reformvorhaben also nicht wirklich nennen.
Das Hauptargument der Bundesregierung für ihre Reform ist, dass diese den Bundeshaushalt erheblich entlasten würde. Hier ist eine Besonderheit zu erwähnen: Die Mehrwertsteuer fließt unmittelbar an den Staat zurück – im Gegensatz zu den meisten anderen Subventionen. Bei einem durchschnittlichen Wert von Eigenheimen um die 166.000 Euro (ohne Baunebenkosten und Grundstück) sind dies rund 27.000 Euro.
Wie jeder Bauherr weiß, sind die Baunebenkosten – also die Einrichtung des Hauses und die Gestaltung der Außenanlagen – mit weiteren Zahlungen verbunden. Diese werden ihrerseits über die Mehrwertsteuer belastet. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass der Bund den Gegenwert seiner über acht Jahre verteilten Förderung schon nach zwei Jahren allein durch Mehrwertsteuerzahlungen wieder zurückbekommt.
Studien belegen zudem deutlich positive Wirkungen der privaten Bauherren-Investitionen für die Bauwirtschaft. Bei der Reform handelt es sich so gesehen um ein riskantes Unterfangen, bei dem eine massenhafte Bauunwilligkeit die ersparten Förderungen schnell kompensieren könnte. Wenn etwa nur 5 Prozent der durchschnittlichen Doppelhaushälften und Reihenhäuser nicht gebaut werden, führt dies zu einem Ausfall an Mehrwertsteuer von schätzungsweise 320 Millionen Euro.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein Rückgang der Bauaktivitäten volkswirtschaftliche Wirkungen in Milliardenhöhe verursachen kann. Politiker und Politikerinnen müssen sich bewusst sein, dass der Neubau eines Eigenheims die größte und riskanteste Investition eines „normalen“ Haushalts ist. Die Eigenheimzulage sollte bisher gerade Schwellenhaushalte motivieren, Eigentum zu erwerben. Es ist aber absehbar, dass gerade diese Gruppe durch eine reduzierte Förderung spürbar verunsichert werden wird.
Was die angeblichen ökologischen Vorteile der Reform angeht, so tragen die Befürworter der Reform gern zwei Argumente vor. Erstens, und dieses Argument ist unbestreitbar: Der Eigenheimbau im Umland von Ballungsräumen treibt die Zersiedlung der Landschaft voran. Zweitens, und dieses Argument ist weniger stichhaltig: Das Bauen im Umland bedeute ein höheres Verkehrsaufkommen durch Pendlerbewegungen und damit höhere Schadstoffemissionen.
Hier muss berücksichtigt werden, dass Neubauten in deutlich geringerem Maße Heizenergie verbrauchen als Altbauten. Gesetzt den Fall, ein „Häuslebauer“ zieht von der unsanierten innerstädtischen Altbauwohnung in das Neubauhaus im Umland, so spart er bei gleich bleibender Wohnfläche pro Jahr 5.000 Kilowattstunden an Energie ein. Mit dieser Energie könnte er mit einem Kleinwagen an allen Arbeitstagen pro Jahr eine Strecke von mehr als 30 Kilometern zurücklegen.
Jede Umfrage über die Wohnwünsche der Menschen zeigt, dass das Eigenheim und besonders das frei stehende Eigenheim immer an erster Stelle kommt. Doch wie lässt sich die Zersiedlung im Umland wirksam stoppen, ohne die Wohnwünsche der Bevölkerung zu negieren? Auf freie Grundstücke in den Städten können „Eigenheimer“ bisher nur selten ausweichen, weil diese für die meisten kaum bezahlbar sind. Eine wirklich „grüne“ Reform müsste nicht einfach das Eigenheim im Grünen verdammen, sondern innerhalb der Städte und Gemeinden für erschwingliche Grundstücke für private Hausbauer sorgen.
Studien belegen, dass es innerhalb der Stadtgrenzen ausreichend Brachen für den privaten Wohnungsbau gibt, zum Beispiel aufgegebene Industrie- und Gewerbeflächen oder ehemals militärisch genutzte Liegenschaften. Um die horrenden Bodenpreise in den Städten für bauwillige Privatleute zu reduzieren, bietet es sich an, die Eigenheimzulage in Abhängigkeit von Bodenwert und Einkommen zu staffeln: Je höher der Bodenwert, desto höher die Eigenheimzulage – oder andersherum: je weiter raus ins grüne Umland, desto weniger Geld vom Staat.
Gleichzeitig sollte die Eigenheimzulage sozial gestaffelt werden, sodass die Unterschiede zwischen niedrigen und mittleren Jahreseinkommen stärker berücksichtigt werden. Unterstützt werden kann diese Strategie, indem die Bundesländer ihre Förderprogramme für Wohnbaumaßnahmen auf Brachflächen konzentrieren. Gute Modellprojekte sind hierfür bereits in Bayern und Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Wichtig ist zudem, dass die Kommunen ihre durchaus vorhandenen Instrumente nutzen, damit innerstädtisches Bauland preiswert auf den Markt kommt.
Eines kann man schon jetzt mit Sicherheit sagen: Die alte Eigenheimzulage war für bauwillige Bürgerinnen und Bürger eine verlässliche Unterstützung bei ihrer größten Investition. Es gibt wohl keine andere Subvention, die für eine so breite Schicht der Bevölkerung so erfolgreich war. Die Zahl der erstmaligen Förderfälle (also sowohl bei Alt- als auch bei Neubauten) lag im Jahr 2002 zwischen 500.000 und 600.000. MICHAEL SCHARP