„Nur gemeinsam bleiben wir stark“

Auch bei den Europameisterschaften in Oberhof belegen die deutschen Rodlerinnen wie gewohnt die ersten Plätze. Neu im Kreis der Elite ist die 20-jährige Tatjana Hüfner, die gestern Zweite hinter Silke Kraushaar wurde

OBERHOF taz ■ Nachdem Silke Kraushaar über die Ziellinie gezischt war und auf der Anzeigetafel die beste Zeit aller Teilnehmerinnen aufflackerte, lächelte sie versonnen und sagte zufrieden: „Wieder eine Deutsche vorn.“ Das war zwar nicht anders zu erwarten gewesen bei den deutschen Meisterschaften im Rennrodeln am vorigen Wochenende in Oberhof. Aber der Satz passte auch am Sonntag bei den Europameisterschaften auf der gleichen Bahn. Da gewann Silke Kraushaar vor Tatjana Hüfner und Sylke Otto sowie Barbara Niedernhuber. „Wieder eine Deutsche vorn“ ist ein allgemein gültiger Satz im Rennrodeln. Seit sechs Jahren ist immer eine Deutsche vorn, egal ob es um die EM ging, den Weltcup, die Weltmeisterschaft oder Olympia. Nur gelegentlich darf eine Fahrerin aus dem Ausland mit zur Siegerehrung. Die Österreicherin Veronika Halder fuhr in diesem Winter zweimal auf den dritten Platz vor.

Aus solch kleinen Erfolgserlebnissen bezieht der Rest der Welt seine Motivation. „Die ist heuer wieder gekommen, als ich gesehen habe, dass ich aufs Stockerl fahren kann“, sagt Veronika Halder, Vierte in der Weltcup-Wertung und Sechste bei der EM. Die 23-Jährige macht sich zwar keine Hoffnungen, die routinierten Silke Kraushaar (33) und Sylke Otto (34) jemals besiegen zu können, „wenn die nicht einen gröberen Fehler machen“. Aber die anderen Deutschen könne man einholen, glaubt Halder.

Mehr Geld, mehr Trainer, mehr Material, mehr Bahnen – das seien die Vorteile der deutschen Rennrodler, sagt Veronika Halder. In Österreich gibt es nur in Igls eine wettkampftaugliche Kunsteisbahn, „und die ist technisch nicht besonders anspruchsvoll“, sagt Veronika Halder, im Gegensatz zu den vier Eisrinnen in Deutschland: „Da kann man das Training variieren, das ist wichtig für die jüngeren Fahrerinnen“.

„Besser“ ist das Lieblingswort von Bundestrainer Thomas Schwab, wenn er die anhaltenden Erfolge erklären soll: bessere Talentauswahl, bessere Bedingungen, bessere Arbeit, bessere Athletik. Seine besten Rodlerinnen sind in Sportfördergruppen der Bundeswehr untergebracht, wo sie unter Profibedingungen trainieren können. „Bei uns herrscht schon ein extremer Druck innerhalb der Mannschaft“, findet Silke Kraushaar. Den hat sie auf ihrer Hausbahn in Oberhof zu spüren gekommen von Tatjana Hüfner, 20 Jahre jung, Soldatin in der Sportfördergruppe Frankenberg. „Ich habe mit ihr gerechnet“, sagte Silke Kraushaar über ihre neue Konkurrentin: „Wenn sie ihren schnellen Start ins Ziel runterbringen kann, ist sie immer vorne dabei.“ Auch Schwab schwärmt von der Beschleunigung seines jüngsten Talents: „Silke ist im Moment die stärkste Starterin, die wir haben, aber ich glaube, in Zukunft wird sich Tatjana durchsetzen.“

„Sie kann uns einmal ablösen“, glaubt auch Silke Kraushaar. Tatjana Hüfner selbst sagt, dass ihr noch die Stabilität fehle und die Erfahrung. Aber schon jetzt wird sie als Antreiberin herzlich begrüßt im deutschen Frauen-Kader. „Jedes Training ist wie ein Wettkampf“, sagt Sylke Otto, „das bringt uns vorwärts, und nur so bleiben wir gemeinsam stark.“

JOACHIM MÖLTER