: Protestsongs und veganes Essen
Jugendumweltkongress pflegt alternative Traditionen und findet immer weniger Zulauf
DARMSTADT taz ■ Nach Weihnachtsferien sah es in der Waldorfschule in Darmstadt-Eberstadt während der vergangenen Woche nicht aus: Da wurden Filme übers Gorlebener Hüttendorf oder die Globalisierungsproteste in Genua gezeigt, über die Gefahren der Gentechnologie debattiert oder im Gitarrenworkshop Protestlieder aus den Siebzigern gespielt. Es war der 11. bundesweite Jugendumweltkongress (JUKSS), der die Räume der Waldorfschule bis gestern füllte.
Wie in den zehn Jahren zuvor wurde viel über Umweltschutz und Gewaltfreiheit diskutiert. Alternative Lebensformen wurden von den rund 150 meist jugendlichen TeilnehmerInnen eine Woche lang auch praktiziert. Auf veganes Essen ohne jegliche tierischen Produkte wurde ebenso Wert gelegt wie auf Selbstorganisation und Kampf gegen Hierarchien.
Das musste sogar das JUKSS-Organisationsteam erfahren. So kippte das Plenum die erstmals eingeführte Begrenzung auf 150 TeilnehmerInnen. Die pragmatisch gedachten Maßnahme wurde als Ausgrenzung gewertet. Dagegen wehrten sich die TeilnehmerInnen auch in der Gesellschaft – und protestierten in der Innenstadt gegen die Abschiebung einer kurdischen Familie.
Doch nicht nur die Gesellschaft, auch der Kongress selbst war Thema zahlreicher Arbeitsgruppen. Denn der JUKSS steckt in einer Krise: Die Zeiten, als sich bis zu tausend Jugendliche zwischen Weihnachten und Neujahr in Tübingen, Nürnberg oder Freiburg versammelt haben, sind eindeutig vorbei. Nicht nur die Teilnahme lässt nach. Es mangelt auch an Geld – und immer weniger AktivstInnen sind bereit, ihre Freizeit für die Organisation des Kongresses zu kümmern.
Doch vom nahen Ende des JUKSS wollte in Darmstadt niemand sprechen. Man versuchte sich in Optimismus: Im nächsten Jahr sollen gar wieder 600 junge Umweltengagierte zum JUKSS gelockt werden. „Wir halten wir es für realistisch, mit langfristiger Mobilisierung, einer breiten Themenpalette und gut strukturierter Planung wieder eine Veranstaltung dieser Größe zu organisieren“, erklärt David vom Vorbereitungsteam, der seinen Nachnamen nicht nennen will, um „Hierarchiebildung“ zu vermeiden.
Allerdings muss noch festgelegt werden, ob der nächste JUKSS in Magdeburg oder im Ruhrgebiet stattfinden soll. Vielleicht auch in beiden Orten. Denn sollte es abermals Schwierigkeit geben, eine Schule in der erforderlichen Größe zu finden, wurde über eine Dezentralisierung als Notlösung nachgedacht.
Damit gab es schon in diesem Jahr ermutigende Ergebnisse. So haben als Reaktion auf die Teilnahmebeschränkung Umweltinteressierte spontan einen regionalen Ost-JUKSS in Dargelütz in Mecklenburg-Vorpommern organisiert. PETER NOWAK