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Archiv-Artikel

„Die stoßen sich doch nicht selbst in die Grube“

Ab Dienstag will der Brandenburger Landtag klären, ob die SPD/CDU-Regierung Schuld am Aus der Chipfabrik hat

BERLIN taz ■ Ab morgen wird aufgeklärt. Dann will der Brandenburger Landtag per Untersuchungsausschuss klären, warum es keine Chipfabrik in Frankfurt (Oder) gibt. Vertreter der Regierungskoalition aus SPD und CDU wollen mit oppositionellen PDSlern klären: Welche Schuld hat die Landesregierung, dass aus dem geplanten Großprojekt ein Großdesaster geworden ist?

Dem Ausschuss bleibt wenig Zeit – in acht Monaten sind Landtagswahlen. Es wird schwer, bis dahin die zweijährigen Wirren zu untersuchen, die dem endgültigen Scheitern des Großprojektes im November 2003 vorausgingen. Die große Frage wird sein: Warum wurde das Projekt nicht gestoppt, obwohl die Finanzierung der Fabrik nie gesichert war? Selbst der größte Anteilseigner der Fabrik gab sein Geld nur widerwillig. Das ferne Emirat Dubai wollte ursprünglich nur die in Frankfurt entwickelte Chip-Technologie kaufen, das Land Brandenburg verlangte den Bau einer Fabrik in Frankfurt dafür. Dubai stimmte zu, zweiter Anteilseigner wurde der Chiphersteller Intel. Trotzdem fehlten dem 1,2-Milliarden-Projekt noch 670 Millionen Euro Fremdkapital. Das wollte eine holländische Bank beisteuern – unter einer Bedingung: 80 Prozent des Geldes sollten durch eine Bund-Länder-Bürgschaft gesichert sein. Ökonomen warnten, so ein Finanzkonzept sei nicht tragfähig. So dachte auch die Bundesregierung, nachdem sie die Fabrik lange unterstützt hatte.

Die Warnzeichen häuften sich: Zur offiziellen Grundsteinlegung kam nicht wie angekündigt der Kanzler – sondern nur die Bildungsministerin. Und in dem Ausschuss, der über die 80-Prozent-Bürgschaft zu entscheiden hat, forderten die Vertreter des Bundes, die Wirtschaftlichkeit des Projektes zu erhöhen. Schließlich verweigerte sich Berlin – das Aus.

Obwohl die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Fabrik unübersehbar waren, traten alle drei Parteien des Brandenburger Parlaments immer für das Projekt ein. Man sprach lieber von „großen Chancen“ statt von finanziellen Risiken. Eine der wenigen kritischen Stimmen war die PDS-Abgeordnete Esther Schröder – sie wurde aus der Fraktion geworfen. „Alle Parteien haben immer genickt“, sagt ein Wirtschaftsfachmann der Landesregierung, „die stoßen sich jetzt nicht in die Grube.“

Doch wem dann die Schuld geben? Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sprach mehrfach von „Geburtsfehlern“. Er sagte auch, sein Vorgänger Manfred Stolpe hätte das Projekt kritischer prüfen sollen. Platzeck versucht ohnehin seit einiger Zeit, mit der Politik seines Ziehvaters zu brechen, predigt Realismus statt hehrer Träume. Der Ausschuss könnte eine Chance sein, sich von Stolpe abzusetzen. Andere SPD-Politiker befürchten hingegen, Stolpe zu beschädigen würde die SPD-Politik der vergangenen Jahre diskreditieren. Einen Sündenbock gäbe es auch für die CDU: Wolfgang Fürniß. Brandenburgs Ex-Wirtschaftsminister hatte Stolpe vom Projekt Chipfabrik erst überzeugt. Im November 2002 verlor Fürniß seinen Job. Grund: Er hatte vom Herrscher eines Emirates einen sehr günstigen Kredit von 1,5 Millionen Euro angenommen, um seine Schulden zahlen zu können. Das Emirat Scharija ist von Dubai wirtschaftlich unabhängig, aber die Verhandlungen um die Fabrik und der Kredit fielen zeitlich zu eng zusammen, als dass man an einen Zufall glauben wollte. Eine Aufarbeitung des Falls Fürniß könnte dem Image der CDU freilich eher schaden als nützen. Es wäre ein Blick in die Zeit, als sie alles andere als die Macherpartei war, als die sie sich jetzt gerne gibt. Damals mussten neben Fürniß zwei andere Minister das Feld räumen, ebenfalls wegen seltsamer Affären. Für die PDS ist der Blick zurück auch nicht einfach, hat man doch mit Esther Schröder die Frau vergrault, die mit ihrer steten Kritik richtig lag.

Da scheint es einigen bequemer, den Schwarzen Peter nach Berlin abzugeben. Nach dem Aus für das Projekt schimpfte Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) auf die Bundesregierung: „Ich verstehe Berlin nicht. Wir haben keine Schuld, wir haben alles getan.“ Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghans saß daneben und nickte. DANIEL SCHULZ