Horrorshop

Der Film „Das Ministerium für Staatssicherheit“ ist eine Dokumentation über den traurigen Alltag einer Behörde

„Von Stasi war nie die Rede“, rechtfertigt sich der Held in Thomas Brussigs „Helden wie wir“. Sein Führungsoffizier habe immer nur Sätze gesagt wie: „Sie wissen doch, wo Sie hier sind.“ Die Zweifel darüber, ob er nun bei der richtigen Stasi war oder nur bei einem Verein, der sich so nannte, sei er nie losgeworden. Das gibt den ominösen Status dieser „Behörde“ gut wieder: Einerseits war sie ein Monstrum, andererseits war sie ein Witz.

Im Kino tauchte die Stasi bislang vor allem als komische Nummer auf. Christian Klemke und Jan Lorenzen haben nun einen sehr ernsthaften und sperrigen Dokumentarfilm gedreht, mit dem sie sich auf die Suche nach der „richtigen“ Stasi begeben. Darin zeigen sie das Gebäude, lesen aus dem Off aus Häftlingserinnerungen, vor allem aber lassen sie vor der Kamera neun ehemals hochrangige Mitarbeiter der Behörde sprechen. Mit erstaunlicher Selbstsicherheit erzählen diese, was man so lernte und arbeitete. Sie benutzen die Begriffe von damals und machen den Eindruck, als würden sie am liebsten morgen wieder mit ihren „operativen Abenteuern“ anfangen. Was der absichtsvoll langweilige Titel – „Das Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde“ – nicht unbedingt erahnen lässt: Der Film ist ein Horrorstreifen. Beklemmend sind die Ausschnitte aus dem Stasi-Archiv, in denen Opfer gezeigt werden.

Richtig gruselig aber wird es, wenn man bei den Interviews genau hinhört. Zwar sind wir es gewöhnt, dass jeder Beruf, so mörderisch er sein mag, seine eigene Vorstellung von Professionalität ausprägt. Dass die Herren mit Begeisterung aus dem Nähkästchen plaudern, ganz im Vertrauen darauf, ja nur von Methoden und Techniken zu sprechen, keinesfalls von Taten, überrascht deshalb nicht wirklich. Die Banalität des Bösen ist Gemeinplatz geworden. Um dem eigentlichen Grauen dieses Films auf die Spur zu kommen, darf man sich von den drögen Männern nicht einlullen lassen. Dann wird erschreckend klar: Diese Herren haben nicht bei der Stasi gearbeitet, weil sie an den Sozialismus glaubten, sie haben, was sie taten, gern gemacht! Weshalb sie es nicht nötig haben, bei den Zuschauern um Sympathie zu werben. Und man braucht den Dokumentaristen nicht vorzuwerfen, sie würden Mitgefühl für Täter schüren. Klemke und Lorenzen zeigen, dass zumindest für die Interviewten die Stasimitarbeit eine befriedigende Tätigkeit war. Und das ist ein echter Schocker.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„Das Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde“. Regie: Christian Klemke, Jan N. Lorenzen. Deutschland 2002, 90 Min. Termine im Programm