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Archiv-Artikel

Überdosis Adolfin

„Mag’s draußen schneien und blitzen / wir schnupfen und wir spritzen“: In der Galerie Transition gab es Neuigkeiten zum Thema „Nazis On Speed – Drogen im Dritten Reich“

Die Galerie Transition veranstaltet seit zwei Jahren interessante Themenabende, bei denen es oft um Drogen geht. Etwa „Ende der Subkulturen“, wo Wolfgang Wieland, der Exjustizsenator, gesagt hatte, früher seien er und seine Kollegen immer mit dem Taxi gefahren, wenn sie auf Trip gewesen seien, und nicht wie heute. Einmal beging man auch den Geburtstag des LSD-Erfinders Albert Hoffmann mit einem Live-Telefongespräch im Tempodrom. Diesmal ging es um „Nazis On Speed – Drogen im Dritten Reich“. Witzig.

Vor ein paar Tagen hatte mir K. erzählt, dass gerade so ein extremes Nazigras aus der Weddinger Heidenszene die Runde mache. Dazu passt, dass viele Post-89er-Headshops „Odin“ o. ä. heißen oder dass es eine exklusiv für Hitler hergestellte Droge gegeben haben soll mit dem Namen „Adolfin“, wie Bommi Baumann mal erzählte. Das mit dem „Adolfin“ stimmte dann wohl doch nicht.

Dafür gab es auf der Leinwand in der kleinen Arena des Tempodroms von Uli Happe psychedelisierte Hitleraufnahmen. Die etwa 200 Leute im Publikum wirkten sehr sympathisch: lesende Drogenfreunde vielleicht. Es kam einem so volksunimäßig vor, nur ein bisschen chilliger sozusagen. Vier Männer jedenfalls hielten interessante Vorträge: Der streetcredible Exdealer und Ein-Mann-Verleger Werner Pieper (seit dreißig Jahren: „Werner Pieper’s MedienXperimente“) sprach über die Recherchen zu dem von ihm herausgegebenen Buch „Nazis on Speed“. Er erzählte, dass große Teile der heutigen Drogengesetzgebung aus dem Dritten Reich stammen und sich die amerikanische, mithin die Weltdrogengesetzgebung, an Nazigesetzen orientiert habe. Nebenbei zitierte er einen Gassenhauer aus den Zwanzigern: „Mag’s draußen schneien und blitzen / wir schnupfen und wir spritzen“. Der Kriminologe Dr. Wolf R. Kemper, Autor eines Standardwerkes in Sachen Musik und Kokain, berichtete von verschiedenen Aufputschdrogen, mit denen die Wehrmacht im Dritten Reich ihre Kampfkraft erhöhen wollte. Anfangs setzten die Nazis ganz massiv auf „Pervitin“, mit dem deutsche Soldaten ihre Bordellbesuche in Paris zu bezahlen pflegten, später gab’s Kokainkaugummi und am Ende DX 9, eine krasse Kombination aus Kokain, Speed und Morphium.

Der an der Humboldt-Uni stationierte Prof. Friedrich Kittler, dessen Buch „Grammophon–Film–Typewriter“ für die Achtziger war, was der „Anti-Ödipus“ für die Siebziger war, gondelte Wein trinkend durch die Gegend, fand alles sehr interessant und sprach aus dem Stegreif, Zigaretten rauchend, unter anderem über revoltierende Hirten aus der Bacchantenszene, die von den Griechen versklavt worden waren. Das aber sei nach hinten losgegegangen, weil die Dionysoskulte nun im Innern die Weltmacht subvertieren konnten. Sein Vortrag war ein schönes Durcheinander. Dass Nietzsche für schnelle und gegen langsame Drogen war, sei ein großer Fehler gewesen; andererseits brauchte er auch was Schnelles in seinem Kampf gegen Schopenhauer.

Häufig bezog sich Kittler, der Held dieses Abends, auch auf die Irakkrise, sprach dabei Bagdad wie einen Schuss aus und landete plötzlich bei der „Erbärmlichkeit des deutschen Schulsystems“. Er schaute kurz fragend – „die meisten Kiffer sind doch Gymnasiasten?“ – und sprach zu Ende: „Es ist doch alles dieselbe Frage, und ich habe keine Antwort dafür.“ Und: „Erzählen Sie bitte nicht meiner Uni, was ich heute gesagt habe.“

Roland Steckel, ein intermedialer Künstler und Regisseur, der 1969 durch sein Buch „Bewusstseinserweiternde Drogen“ bekannt geworden war, sprach leicht esoterisch, im Geiste der Mystik quasi, über die „Doppelnatur des Menschen“. Ein Zuschauer resümierte: „Sie haben interessante Sachen gesagt. Die waren aber angereichert mit unverständlichem Zeug.“ Bevor sie dann gingen, warnten die Vortragenden noch einmal vor schnellen Drogen. DETLEF KUHLBRODT