: Rechtsextreme bleiben online
Verfassungsschutzexperten warnen: Die Zahl rechtsextremer Homepages bleibt hoch. Verbreitet werden vor allem menschenverachtende, volksverhetzende Inhalte. Bekämpfung schwierig
VON ANDREAS WYPUTTA
Das Internet wird immer mehr zum Kommunikationsmittel junger Rechtsradikale. „Anbieter rechtsextremistischer Seiten hoffen natürlich auf das Internet als Einstiegsdroge“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. „Wir befürchten, dass diese Strategie aufgehen könnte.“
Noch immer überfluten allein rund 1.000 deutschsprachige Homepages das Internet mit rechtsextremen, menschenverachtenden und volksverhetzenden Inhalten. „Leider ist die Zahl seit 2001 nur um 300 gesunken“, klagt Pelzer. Hinzu komme ein kaum schätzbare Dunkelziffer. Damit wird ein überdurchschnittlicher Teil rechtsextremer Inhalte im Internet in deutscher Sprache angeboten: Das Wiener Simon-Wiesenthal-Institut schätzt die Zahl so genannter „Hate Pages“ weltweit auf rund 3.500. Mitte der neunziger Jahre präsentierten nur 30 deutschsprachige Seiten rechtsextreme Inhalte im world wide web.
Für Propaganda-Zwecke sei das Internet bestens geeignet, urteilt der NRW-Verfassungsschutz in einer Studie: „Sie ist leicht zu handhaben, bietet internationale Verbindungen und ist preiswert.“ Auch Neonazi-Musik werde verstärkt als MP3-Format vertrieben, in der Vergangenheit etwa über das mittlerweile verbotene „Thule-Netzwerk“ oder über die Seite „White Power MP3“. Hauptziel bleibe die „Herstellung und Verfestigung der Kontakte“ – und die Rekrutierung neuer Anhänger.
Die Bekämpfung ist schwierig: „Die im Vergleich zu 2001 gesunkene Zahl ist sicherlich der erhöhten Sensibilität der Provider in Deutschland zu verdanken“, so Pelzer. Allerdings operieren immer mehr Anbieter mit Decknamen: „Es werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um bereits verbotene Inhalte wieder in‘s Netz zu bringen“, sagt Jens O‘Brien, Sprecher der Düsseldorfer Bezirksregierung, die nach nordrhein-westfälischem Medienrecht für die Beobachtung des Internets zuständig ist. „Rechtsradikale Bands werden auch von uns regelmäßig beobachtet“, betont auch Frederick Holtkamp vom Landeskriminalamt. „Bei Konzerten bekommen die dann Besuch von den zuständigen Kreispolizeibehörden.“ Bundesweit einmalig waren im Dezember drei Musiker der Berliner Skinhead-Band „Landser“ wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen verurteilt worden.
Mit einer koordinierten Aktion will die Landesregierung nun verstärkt gegen die Propaganda vorgehen: „Das betrifft nicht nur das Innenministerium, sondern auch die Ressorts Schule, Jugend, Justiz – und die Staatskanzlei“, so Verfassungsschutz-Sprecherin Pelzer. Ein Termin steht aber noch nicht fest: „In diesem Jahr.“
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