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Archiv-Artikel

Prinz im Blitzlichtgewitter

Der Dramatiker und Feuilletonist Moritz Rinke, 35, lebt in Berlin ein preisgekröntes Schriftsteller-Leben. Jahre zuvor knatterte er noch per Ente von seinem Geburtsort Worpswede nach Bremen – um beispielsweise mit Marianne Hoppe Kaffee zu trinken

Feingliedrige, sorgfältig manikürte Schriftstellerhände auf altrosafarbenem Tischtuch. An jeder Hand ein Ring, der eine silbern, der andere golden. Ob Moritz Rinke wohl diese Schmuckstücke ablegt, wenn er in seiner Charlottenburger Wohnung Kartoffeln schält und diese dann matschig kocht, um sich von einer Schreibblockade abzulenken?

Egal, hier, im Frühstücksraum des Bremer Hotels Maritim, hat Herr Rinke etwas übernächtigt mit seinem Müsli zu kämpfen. Und kontert die unausweichliche Frage nach der „Generation Golf“ mit einer Gegenfrage. Kein verwertbares Statement. Dann grinst der Fußballfan, so wie ein Torwart grinst, wenn er einen Torschuss abgefangen hat und leitet über zu Werder Bremen. Deren Ex-Torwart Burdenski hatte Moritz Rinke nach Bremen eingeladen, um sich die Inszenierung von „Der Graue Engel“ mit Lilo Wanders am Jungen Theater anzuschauen. Die Uraufführung dieses Stücks – es war Rinkes Debüt als Theaterautor – liegt acht Jahre zurück. Wie war‘s in Bremen, aus der Perspektive des Autors? „Hätte mir manchmal am liebsten die Ohren zugehalten. Dieser Jahre alte Text....“

Viel passiert in der Zwischenzeit: Literaturpreis des PEN-Club Liechtenstein 1997, „Republik Vineta“ wurde bestes deutschsprachiges Stück der Spielzeit 2000/2001 in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute, Einladung zu den Mülheimer Theatertagen 1997 und 2001. Dieter Wedel inszenierte 2002 die Uraufführung von Rinkes „Nibelungen“ – das Feuilleton-Ereignis im Sommerloch. Rinke: „Vor Worms galt ich als stiller, romantischer, verschlossener Prinz und plötzlich bin ich zum angeblich eitlen Medienobjekt avanciert.“

Das ganze Drumherum um den Ruhm sei ja eigentlich widerlich, diese Aktienlogik auf dem Kulturmarkt, die Gier, Verwurstung, Neid. „Du wirst kurzzeitig ordentlich gehypt, doch künstlerische Entwicklung ist überhaupt nicht gewollt. Sobald sich in Deutschland etwas emporhebt, wird es kurz darauf abgeschossen.“ Zornig malt er Linien in den Raum: „Hier, das ist der Ruhm, der Erfolg, und so verläuft die Entwicklung...so und so...“ Der gestikulierende Finger zischt durch die Luft.

Gern stellt man sich den heute 35-Jährigen als 18-jährigen Worpsweder Jungen vor, der mit seiner alten Ente nach Bremen knattert, um ins Theater zu gehen. Oder als schüchternen Hospitanten, etwas später in der Shakespeare Company... Noch später war Rinke Jung-Redakteur beim Berliner Tagesspiegel, da hatte er das Theaterwissenschaftsstudium schon hinter sich... Oder man liest in seinen „Erinnerungen an die Gegenwart“, wie er mit der großen Aktrice Marianne Hoppe im Schnoor shoppen und Kaffee trinken geht, dabei ständig der Gefahr ausgesetzt, einen Schwall heißen Kaffee abzubekommen, weil die hochbetagte energische Dame die Tasse als Requisit benutzt. Oder wie sie beide in die Bremer Kunsthalle gehen und er sich einen Vortrag von ihr über Max Beckmann anhört...

Rinkes Prosa-Texte funktionieren über sein „Ich“. Das kommt irgendwohin, schaut, staunt, macht Fehler, erzählt die Geschichte – witzig, locker, spitz, selbstironisch. Und mit der Zugabe, die ihn – so Rinke über Rinke – zum „lausigen Journalisten“ mache: überbordende Fantasie, unterwegs auf der Metaebene der Realität. Nicht wirklich Gegenwart, nicht wirklich Zukunft, nur der Filter des Subjektiven.

Den Rinke demnächst auch auf deutschen Kinoleinwänden in Anschlag bringen wird: Im April hat „September“ (Regie: Max Färberböck) Premiere, Rinke gibt darin sein Schauspieler-Debüt. Im November folgt dann die Uraufführung seines neuen Stücks am Schauspielhaus Bochum. Und am 21. Juni findet auf Sylt am Strand ein von Moritz Rinke zusammengestellter Autorentag statt. Denn er war bis vor kurzem der Inselschreiber von Sylt. Nun ist allerdings erst mal wieder Kartoffelschälen in Berlin angesagt. Daniela Barth