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Archiv-Artikel

Nordrhein-Westfalens NPD setzt auf Angst vor Islam

Die Rechtsextremen gehen im Ruhrgebiet auf Stimmenfang – bisher ohne großen Erfolg. Ihnen fehlt das Personal

BOCHUM taz ■ Die NPD pflegt in Nordrhein-Westfalen ein neues Feindbild. Sie nutzt antiislamische Tendenzen und warnt wie die rechtspopulistische Partei „Pro Köln“ vor Moschee-Neubauten. Unter der Parole „Für ein deutsches Deutschland“ will die NPD am Samstag in Bochum aufmarschieren und gegen „Überfremdung, Islamisierung, Ausländerkriminalität“ Stimmung machen. Erwartet werden mehrere hundert Rechtsextreme.

Doch das Ruhrgebiet wehrt sich. Unter dem Motto „Wir sind Bochum. Nazis sind es nicht“ hat ein breites Bündnis gegen rechts gleich neun Gegenveranstaltungen organisiert. Parteien, Gemeinden, Gewerkschaften unterstützen die vom DGB organisierte zentrale Kundgebung, die am Samstag um 10.30 Uhr auf dem Dr.-Ruer-Platz in der Innenstadt beginnt, genauso wie die Industrie- und Handelskammer, die Ruhr-Universität oder der Fußball-Bundesligist VfL Bochum. Der DGB rechnet mit tausenden Gegendemonstranten.

Der Bochumer NPD-Aufmarsch gehört zu einer Strategie, mit der die rechtsextreme Szene für die Kommunalwahlen 2009 und die Landtagswahlen 2010 mobilisiert werden soll. „NPD und ‚Pro NRW‘ wollen über die Rathäuser den Sprung in den Landtag schaffen“, warnt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP).

Dabei konzentriert sich die NPD auf das wirtschaftlich schwache Ruhrgebiet: Mit Slogans, die „vordergründig sozialpolitische Themen wie Hartz IV aufgreifen“, solle „die Grenze zwischen Rechtsextremismus und sozialer Protestbewegung verwischt“ werden, analysiert der Landesverfassungsschutz.

„Die NPD versucht, die soziale Frage zu besetzen“, bestätigt der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler. Wegen ihrer dünnen Personaldecke sei die Partei in NRW aber kaum aktionsfähig, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. „Die NPD kann nicht ohne die militante Neonazi-Szene, ohne den sogenannten nationalen Widerstand.“

Niemand personifiziert diese Szene besser als der im Juni zum NPD-Landeschef gewählte Claus Cremer. Der in Bochum lebende, wegen Volksverhetzung vorbestrafte Rechtsextremist ist Anführer der Kameradschaft „Freier Widerstand Wattenscheid“, seine Lebensgefährtin Daniela Wegener agitiert als Kameradschaftsführerin im Sauerland. Da im Revier ein breites linkes Spektrum die soziale Frage thematisiere, versuche die Partei jetzt, von einer „neuen Tendenz der Kulturalisierung des Rassismus“ zu profitieren, sagt Häusler. Sie gehe mit dem „Angstthema Islamisierung“ auf Stimmenfang. Bisher mit wenig Erfolg: Im Duisburger Multikulti-Stadtteil Marxloh konnten die Neonazis nicht Fuß fassen.

Blockaden des Neonazi-Aufmarschs wie in Köln im September, wo mehrere zehntausend Menschen einen sogenannten Anti-Islam-Kongress der „Pro-Partei“ verhinderten, will Bochums Polizeipräsident Thomas Wenner aber um jeden Preis auflösen. „Die Rechtsextremen stehen für KZs, die Linksextremen fürs Gulag“, warnte er am Donnerstag – und gerät selbst in die Kritik. Wenner diskreditiere den Protest gegen die Neonazis, findet Grünen-Landeschefin Daniela Schneckenburger: „Von einem Polizeipräsidenten erwarte ich Parteilichkeit für Demokratie und Meinungsfreiheit – keine verharmlosenden historischen Vergleiche.“

ANDREAS WYPUTTA