: Expansion und Reibung
Ein Jahr Feuerbergstraße: Sozialsenatorin nennt Heim „erfolgreich“ und will auf 18 Plätze erhöhen. Hälfte der Erzieher wurde ausgewechselt
von KAIJA KUTTER
„Egal ob sie uns lieben oder hassen. Irgendwann müßen sie uns entlaßen“: Eifrig notieren Journalisten die Edding-Sprüche auf dem weißen Pinnbrett, das abgehängt an der Wand lehnt. Erpicht auf Spuren der neun jungen Menschen, die hier in der geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße auf engem Raum und hochbetreut ihren Alltag verbringen.
Denn sprechen oder ablichten darf man sie nicht. Für die Dauer des kurzen Rundgangs sind alle neun im Nachbartrakt beim Essen. Wer Human Touch will, muss Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) im sonst kahlen Musikraum am Schlagzeug fotografieren.
Durch die Glasscheiben entsteht kurz Sichtkontakt zu zwei Jungen. Sie ziehen den Pullover über die Nase und grüßen mit dem Viktory-V. An das Fenster des Gruppenraums sind kindliche Glasbilder gepinselt. Dahinter der Blick auf das vermatschte Außengelände und den 3,80 Meter hohen Zaun, der – so hatte Schnieber-Jastram zuvor versichert – zusammen mit den Nachtwachen der Firma „Securitas“ seit dem 1. Juli dafür sorgt, dass es zu keinen weiteren Ausbrüchen kam.
Lediglich ein Junge sei dreimal bei seinen Ausgängen ausgebüxt. Schnieber-Jastram: „Dies ist kein Haus der offenen Tür. Wer dies behauptet, will die Einrichtung diskreditieren.“
Das Haus sei aber auch „kein Freizeitpark“, hatte sie zuvor gefrotzelt und damit Heimleiter Wolfgang Weylandt unterbrochen, der die Freizeitmöglichkeiten aufzählte. Auf Nachfrage, denn bei dem zuvor gezeigten Drei-Minuten-Video war neben Schule, Sport und Rühreibraten nur das bereits bekannte Kaminholzhacken zu sehen, das für die Gruppenkasse zu 2,50 Euro pro Klafter verkauft wird. Der Ton beim Film wurde abgedreht, der um 6 Uhr früh beginnende Tagesablauf stattdessen vom Heimleiter erklärt. Wer bis zu fünf Minuten zum Unterricht zu spät kommt, muss für jede Minute zehn Liegestütze machen. Diese Regel, so erklärt Weylandt, hätten die Jungs sich selbst ausgedacht.
Die SPD hatte die Feuerbergstraße tags zuvor für gescheitert erklärt (taz berichtete). Schnieber-Jastram sprach dagegen nur von „Pannen“, die glücklicherweise behoben seien. So klappt es mit dem Schulunterricht erst, seit im Juli eine richtige Lehrkraft eingestellt wurde.
Die SPD hatte von durchschnittlich vier Belegungen im Jahr gesprochen und die Sache als zu teuer bezeichnet. Schnieber-Jastram sprach gestern von „falschen Zahlen“ und trumpfte mit der seit Herbst auf „durchschnittlich zehn“ gestiegenen Belegung auf. Von 23 Jungs, für die in 13 Fällen die Eltern und in zehn Fällen das eigens gegründete „Familieninterventionsteam“ (FIT) die Einweisung beantragte, wurden 16 per Richterbeschluss eingewiesen. Sieben sind bereits wieder draußen, von den verbleibenden neun haben fünf einen Ein-Jahres-Beschluss. Der Erste kommt im Februar frei.
Angesichts der Aktenlage im FIT geht die CDU-Politikerin jetzt von einem „stetig steigenden“ Bedarf aus und will die Platzzahl von zwölf auf 18 erhöhen. Die Räume in einem Seitentrakt sind dafür bereits hergerichtet, das Personal, so Behördenreferent Dirk Bange, werde seit November per Anzeige gesucht. Es sei allerdings nicht leicht, Fachkräfte zu finden, die auch in Deeskalationsstrategien geübt sind. Ohnehin hatte die Hälfte des zehnköpfigen Teams im Laufe des Jahres gekündigt. Bange: „Die Reibung im Haus ist hoch.“