: „Wenn meine Schwester Sex vor der Ehe hat, schlitz ich die auf, ganz klar“
Der Islam in Deutschland: Wie sehen ihn Jugendliche deutscher und nicht deutscher Herkunft? Ein Gespräch zwischen Hauptschülern im Alter von 15 bis 18* über Religion, Gesellschaft, Machos, Manager, BMW, Döner, feste Beziehungen und vorehelichen Geschlechtsverkehr
AUFZEICHNUNG: SEMIRAN KAYA
Denis: Also, der Islam hat auch positive Aspekte: Döner. Das bekannteste türkische Nationalgericht. Die haben das so weit integriert, dass auch Deutsche Dönerbuden besitzen.
Hüseyin: Der Islam wird ja auch immer mit Aggressivität, immer mit Kriegen verbunden.
Chona: Ja, weil sie den falsch vertreten. Es gibt viele Menschen, die den Koran nicht gelesen haben und trotzdem eine Meinung über den Islam äußern. Die reimen sich was zusammen. Wird dann halt wie Flüsterpost.
Kutlu: Ich meine, wer repräsentiert den Islam? Wir. Wir, wie wir hier sitzen, wie wir hier leben. Und wir sind auch ein großer Teil davon, dass der Islam falsch verstanden wird.
Michaela: Der Islam legt doch Wert auf Bildung. Warum unterdrücken dann Männer die Frauen?
Mustafa: Ich hab’ ja auch ’ne Freundin. ’ne feste Freundin. Die ist Jungfrau. Und ich habe auch ab und zu mal ’ne Freundin, mit der ich Spaß habe. Klar: Die ich heiraten will, die muss Jungfrau sein.
Maria: Das sieht man halt immer bei Leuten, die diesen Glauben haben. Der hat ’ne Freundin, aber für Sex geht der woanders hin. Aber es heißt immer, die Frauen wären Schlampen. Aber der ist genauso ’ne Schlampe.
Ömer: Sagen wir mal, ich bin mit der Freundin drei Jahre zusammen. Die ist Jungfrau. Tue ich mit der pimpern, was dann? Was ist, wenn ich nicht mehr mit der zusammenbin, wenn meine Eltern nicht wollen, dass ich die heirate? Die ist dann keine Jungfrau mehr.
Maya: Du heiratest ja nicht für deine Eltern – au weia!
Ömer: Au weia! Ist doch scheißegal. Wenn meine Mama nein sagt, dann heißt das nein.
Murad: Die Christen leben halt in Europa und in Amerika. Was zeigen die Medien? Wofür machen die Medien die ganze Zeit Werbung? Dass Sex mit 15 eigentlich ganz normal is’. Wenn ein Mensch mit 16 keinen Sex hat, wird er als Buhmann dargestellt.
Christian: Ich finde es nicht in Ordnung, dass eine Religion vorschreibt, wann ich jemanden liebe und wann nicht. Wann ich mit jemandem schlafe und wann nicht. Das hat keine Religion vorzuschreiben. Das sind meine Gefühle. Ich muss nicht vorher mit jemandem verheiratet sein, um mit ihm schlafen zu müssen. Es gibt viele One-Night-Stands. Warum nicht? Wenn jemand das möchte.
Ali: Sein ganzes Leben lang wird man so vom Vater erzogen, dass du erst nach der Ehe Sex mit jemandem haben darfst und so. Da macht man sich darüber keine Gedanken mehr.
Patricia: Hier in Deutschland ist man auch teilweise an unsere Religion gebunden. Zum Beispiel im Kindergarten, in Schulen, Krankenhäusern, wo halt die Kirchen beteiligt sind. Meine Oma ist absolut streng katholisch und wollte mich auch zum Glauben zwingen. Ich kann auch nichts dafür, dass ich getauft bin. Aber man sollte auch mal selber nachdenken, was einem wichtig ist.
Mustafa: Wenn meine Schwester Sex vor der Ehe hat, schlitz ich die auf, ganz klar.
Maya: Wieso, die kann sich doch wieder zunähen lassen. Es gibt doch so’n Satz über moslemische Mädels: „Oben zu, unten auf“.
Nadjif: Also, das Problem taucht ja auf, wenn eine Frau schwanger wird. Erfährt es der Vater, verliert er seine Ehre. Oder aber die Frau wird verstoßen und wird nie wieder was mit der Familie zu tun haben. Sie könnte aber auch abtreiben und zurück zur Familie kommen. Natürlich ist die Frau beschämt, befleckt und in deren Augen unrein. In diesen Augen, die es mit der Religion sehen.
Yusuf: Abtreibung ist in jeder Religion verboten. Immer werden die Männer verarscht.
Bianka: Steht das auch in der Religion irgendwo?
Nadjif: Es steht nicht in der Religion, dass die Familie sie zurücknehmen müssen, aber es gibt die Möglichkeit. Nur, es gibt keine Garantie dafür.
Nuri: Dass jemand verstoßen werden muss, steht nicht im Koran, das kann ich dir sagen. Aber es wird einfach passieren, weil bei orientalischen Familien die Ehre die Nummer eins ist.
Bianka: Ja, aber das ist ja auch hier so. Da muss er kein Moslem für sein. Wenn jetzt so was passiert, zum Beispiel in ’ner deutschen Familie, die meinetwegen Christen sind und wo der Vater sagt, so, ich bin Manager von irgend’ner Firma X. Und meine Tochter, 14, ist schwanger. Was ist dann? Dann ist es doch im Prinzip genau das Gleiche, weil dann wird der Name ja auch ins Unreine gezogen.
Nuri: Stimmt. Nur man muss mal gucken: Wie viele Menschen im Orient leben und so denken und wie viele hier in den EU-Ländern. Wie viele denken so? Ein Bruchteil.
Tahsin: Macho sein, gehört dazu. Wir Moslems machen alle Bodybuilding. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. In der Steinzeit haben Frauen ja auch den Haushalt gemacht.
Maria: Bei den Schwarzköppen ist es so: Wer den Schwanz in der Hose hat, der hat das Sagen. Das kriegt man dann so am Rande mit. Es ist nicht so, dass wir angebaggert werden. Aber man sieht es, man hört es. Ich empfinde es sogar zum Teil als ein bisschen unangenehm, wie das vonstatten geht. Weil: Sich in den Schritt zu greifen und dabei eine Frau anzusprechen, das ist vielleicht nicht ganz so stilvoll.
Claudia: Also, ich seh das eher als kulturelles Problem und weniger als ein religiöses. Sieht man auch in Köln-Innenstadt. Bestes Beispiel. Das ist jetzt nichts Böses, aber ich seh da jetzt keine Deutschen, die da irgendwelche Mädels anmachen. Das sind meistens die ausländischen Mitbürger. So krieg ich das mit. Ich weiß, ich achte da wahrscheinlich mehr drauf, ich achte nicht so auf die Deutschen in dem Moment.
Alex: Ich bin kein Moslem, sondern Serbe. Wenn ich in die Disko gehen will, komm’ ich nicht rein, weil die denken dann: Schwarzkopf gleich Türke.
Ahmed: Deswegen machen wir die Frauen auf der Straße klar.
Eginc: Ey, Musto, du hast doch einen BMW. Erzähl mal.
Mustafa: Nach dem BMW dreh’n sich alle Weiber um. 50 Prozent steh’n auf Machos, weil sie ja beschützt werden wollen. Und die in kurzen Röcken wollen doch nur klargemacht werden.
Maya: Es geht doch wirklich nur um Vorurteile. Dass, wenn man jemanden auf der Straße sieht und dann denkt oder sagt, was weiß ich, der hat Kopftuch oder der hat Mützchen an, da ist ’n Macho. Es geht doch um das Äußere. Wenn man hingehen würde und sagen, hey Typ, ich will dich mal kennen lernen, dann würd’ der doch auch denken, ja, die Alte will mich klarmachen.
Metin: Wenn Türken nicht in die Diskos kommen, dann sagen die immer: Du Nazi! Ist doch scheiße, was ihr macht.
Can: Der schon wieder. Weichei.
Jan: Den Ruf Nazi haben wir weg, und da können wir nicht mehr viel dran machen. Deswegen ist es meines Erachtens nach ’ne unrechte Beschimpfung, die wir da oft abkriegen. Weil, wir können garantiert nichts dafür, was vor 50 Jahren passiert ist.
Eva: Wenn jetzt halt ein Deutscher sagt, euch wird’s hier zu leicht gemacht, dann kommt das halt direkt wieder auf mit dem Nazi. Wenn das jetzt ’n Deutscher zum Deutschen sagt, ist es okay. Sagt ’n Deutscher das zum Ausländer, egal welcher Nationalität, dann heißt es: Du bist ’n Nazi.
Aziz: Ihr sagt – hier, in unserem Land. Oder ein Deutscher sagt, dass er stolz auf sein Land ist, dann sagen die Ausländer: Scheiß Nazi! Wir sind doch hier geboren, also ist es auch unser Land.
* Teilnehmer am Gespräch über den Islam sind: Alex, Ahmed, Ali, Aziz, Bianka, Can, Chona, Claudia, Denis, Eginc, Eva, Hüseyin, Jan, Kutlu, Maria, Maya, Metin, Michaela, Murad, Mustafa, Nadjif, Nuri, Ömer, Patricia, Tahsin und Yusuf – alle sind Haupt-, Berufs- und Kfz-Schüler im Alter von 15 bis 18, alle haben einen deutschen Pass.