Ruhrgebiets-Wohnungen an Bayern verhökert

Der Essener Wohnungskonzern Viterra verkauft ein Drittel seiner Wohnungen im Ruhrgebiet an eine bayerische Firma. Mieterverbände befürchten eine unsichere Zukunft in ihren Wohnungen, der Betriebsrat hunderte Entlassungen

RUHR taz ■ Das Leben in Viterra-Wohnungen wurde in dieser Woche unsicher: Der Essener Immobilienkonzern verkauft 27.000 Wohnungen im Ruhrgebiet an die Mira Grundstücksgesellschaft, eine Tochter der bayerischen Finanzgesellschaft KGAL. Die Wohnungen liegen vor allem in Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Gladbeck und Herne. Der neue Eigentümer habe Viterra weiterhin beauftragt, die veräußerten Wohnungen zu bewirtschaften und weiterzuverkaufen.

Die Eon-Tochter Viterra behauptete, für die MieterInnen ändere sich nichts, alle Mietverträge gingen unverändert mit allen Rechten und Pflichetn auf den neuen Eigentümer über. „Die Mieter haben eine neue Kontonummer bekommen, das war alles“, sagt Viterra-Sprecherin Katja Klemm.

Für die MieterInnen ist das noch lange nicht alles. „Alle Menschen in den Viterra-Wohnungen sind verunsichert“, sagt Helmut Lierhaus, Sprecher der Mietervereine Dortmund, Bochum, Witten und Essen. Sie haben keine Ahnung, wer der bayerische Vermieter sei und wem ihre Wohnungen in der nächsten Woche gehören könnten. „Wer sich Möbel kauft, Fußböden neu verlegt und Familie hat, weiß jetzt nicht weiter“, sagt Lierhaus. Gerade die finanziell schwachen MieterInnen müssten langfristig planen können.

Wolfgang Kiehle von der Wohnbund-Beratung NRW in Bochum hätte sich Investoren aus dem Ruhrgebiet gewünscht. „Viterra hätte hier an 5 Unternehmen jeweils 6.000 Wohnungen verkaufen können, anstatt an einen Bayer 27.000“, sagt Kiehle. „Die KGAL wird weiterverkaufen und die Mieten werden unweigerlich steigen.“ Seiner Meinung nach hätten sich die Ruhr-Kommunen um Auffanggesellschaften kümmern sollen, die die Wohnungen übernehmen. „Fast 30.000 Wohnungen auf einen Schlag zu verlieren, das ist für den hiesigen Wohnungsmarkt enorm.“

Viterra gönnt seinen MieterInnen im Ruhrgebiet keine Atempause. Zum Jahreswechsel hatte Viterra bereits rund 3.000 Wohnungen an zwei Investoren verkauft. Das Unternehmen verfügt nun noch über rund 65.000 Wohnungen im Revier, viele davon liegen in früheren Bergarbeitersiedlungen, sind in einem schlechten Zustand und werden von ärmeren Familien bewohnt. Das ehemalige Veba-Unternehmen will seine gesamten Bestände im Ruhrgebiet veräußern und sich auf das Immobiliengeschäft im lukrativen Rhein-Main-Gebiet konzentrieren. Die jetzt verkauften Wohnungen passen nicht zur Firmenstrategie: Sie seien weder zur Privatisierung noch zum hausweisen Verkauf geeignet, so eine Sprecherin.

Kritik an der Firmenpolitik kommt auch aus dem Konzern selbst. Der Betriebsrat von Viterra fürchtet, dass „mehrere hundert Menschen“ bald auf der Strasse säßen, so ihr Vorsitzender Reinhold Jacob. Je weniger Wohnungen im Bestand des Essener Wohungsriesen seien, desto weniger MitarbeiterInnen bräuchte Viterra. Für Jacob handelt Viterra „heimtückisch“. „Der Konzern spricht nur über seine Wohnungen, die Konsequenzen für die Mitarbeiter werden totgeschwiegen.“ ANNIKA JOERES