: Spanischer Stausee halbtrocken
Umweltschützer verhindern vorerst die komplette Flutung des Stausees Itoiz in Navarra
MADRID taz ■ Die Bewegung gegen den Stausee im nordspanischen Itoiz kann einen kleinen, wenn auch nur sehr kleinen Erfolg für sich verbuchen. „Der See wurde nicht bis zum Jahresende komplett geflutet“, sagt Alberto Rodríguez von Greenpeace. Die „Koordination gegen Itoiz“ hat die Regionalregierung von Navarra und die Regierung in Madrid verklagt – und erreicht, dass der See nur zu 10 Prozent gefüllt werden darf. Die Richter teilen die ökologischen Bedenken der Kläger. Doch die Verurteilten wollen sich nicht beugen. „Ich sehe keine rechtlichen Probleme bei der Flutung“, sagt der Sprecher der Regionalregierung von Navarra.
„Diese Haltung ist nicht neu. In Navarra haben sie schon mehrmals einfach Tatsachen geschaffen“, erzählt Rodríguez. Bereits der Bau der Staumauer hätte vor neun Jahren eigentlich gestoppt werden müssen, denn schon damals gaben die Richter des Audiencia Nacional den Bedenken der Umweltschützer recht. Doch das Gericht ordnete an, dass die Umweltschützer 145 Millionen Euro als Sicherheit hinterlegen mussten, um zu ihrem Recht zu kommen. Der Betrag wäre an die Baufirmen als Entschädigung für die Verzögerung gefallen, falls die Umweltschützer in einer möglichen Revision verloren hätten. So viel Geld hatten sie natürlich nicht.
Der Staudammbau ist der umstrittenste in Spanien. Mehr als 18 Jahre ringen nun Koordination und Regionalregierung miteinander. Geplant war, Itoiz und neun weitere Dörfer, 1.000 Hektar Wald und Ackerflächen komplett zu überfluten. Dabei würden auch drei Naturschutzgebiete und zwei Vogelschutzzonen verschwinden. Insgesamt bietet das Gebiet 150 verschiedenen Wirbeltierarten und Raubvögeln Lebensraum, rund 100 davon sind vom Aussterben bedroht, darunter Schmutzgeier, Steinadler und Königsuhus.
Die Koordination kritisiert aber auch, dass die Sicherheit des Staudamms nicht zu gewährleisten sei, weil die Abflüsse zu klein dimensioniert sind. Ein Hochwasser im vergangenen Februar rief deshalb sogar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf den Plan.
„Die Regierung baute weiter, als sei nichts geschehen“, erklärt Greenpeace-Sprecher Rodríguez. Ende Oktober wurden selbst die Dörfer geräumt und abgerissen, die bei der derzeit zulässigen Füllmenge oberhalb des künftigen Wasserspiegels liegen. Für die Bewegung gegen Itoiz war dies in erster Linie ein „Racheakt“.
„Wie immer gehen wirtschaftliche Gründe vor“, erklärt sich Rodríguez die sture Haltung der Behörden. Mit dem Wasser des über eine Milliarde Euro teuren Stausees, 30 Kilometer von Pamplona entfernt, soll die Bewässerungslandwirtschaft im Süden Navarras um 55.000 Hektar ausgebaut werden. Insgesamt sollen 1.145 Hektar Land überschwemmt werden. Um das Nass an seinen Einsatzort zu bringen, wurde zudem ein 100 Kilometer langer Kanal gebaut.
Doch was noch schwerer wiegt: Die Behörden setzten sich über alle Sicherheitsbedenken hinweg. Mehrere Gutachten haben ergeben, dass das Gelände von Itoiz instabil ist. Die Hänge der Täler könnten abrutschen. Das würde zu einem schlagartigen Anstieg des Wasserpegels führen, was wiederum verheerende Folgen für die Staumauer hätte. Bisher haben die Behörden noch nicht einmal den für einen Betrieb des Stausees notwendigen Notfallplan erstellt.
REINER WANDLER