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Archiv-Artikel

Käufliche Natursünden

Die Stadt Dortmund stellt Grünflächen unter Naturschutz und sammelt so Ökopunkte. Naturschützer fürchten einen Missbrauch der Fördergelder

„Das gesamte System mit den Ökopunkten fordert den Missbrauch geradezu heraus“, findet der Nabu

von Miriam Bunjes

Unberührte Wälder, seltene Tier- und Pflanzenarten - so ein Ökoparadies soll die Stadt Dortmund bald sein: Sieben Prozent der Gesamtfläche steht bald unter Naturschutz. „Wir haben den Wert dieser neuen Naturschutzgebiete bislang unterschätzt“, sagt der Sprecher der Stadt Dortmund, Udo Bullerdieck.

Wertvoll sind die Naturschutzgebiete tatsächlich. Nicht nur für Flora, Fauna und Luft. Auch die leere Stadtkasse kann profitieren. Denn die neuen Naturschutzgebiete liegen fast ausschließlich auf „bebauungsfähigem“ Land und wurden bereits im vergangenen Jahr mit finanzieller Hilfe des Landes begrünt. Dass sie jetzt unter Naturschutz stehen, verschafft Dortmund in erster Linie Ökopunkte vom Land. Und mit einem vollen Ökokonto kann sich die Stadt auch wieder eine investorfreundliche Umweltsünde leisten. Beispielsweise die schon lange geplante Bebauung der Grünflächen an der Dortmunder Universität, die bislang an den fehlenden Kompensationsmöglichkeiten scheiterte.

„Die Flächen wurden nicht taktisch ausgewählt“, sagt der Sprecher der Stadt. „Der Stadt Dortmund geht es hierbei ausschließlich um den Schutz der Natur.“

„Der Schutz der Natur in diesen Gebieten war auch vorher schon gewährleistet“, sagt Gerd Wendzinski von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. „Der Wald dort ist in einem hervorragenden Zustand. Es gibt da offenbar noch andere Motive.“

Auch dem Naturschutzbund (Nabu) macht das pralle Ökokonto der Stadt Dortmund Sorge. „Das ganze System der Ökopunkte fordert Missbrauch geradezu heraus“, sagt Nabu-Landesvorsitzender Josef Turmbrink.

Tatsächlich können die Kommunen ihre einmal erworbenen Ökopunkte nach Gutdünken auch wieder verbrauchen. „Wenn eine Stadt auf einem Spielplatz eine Hecke pflanzt, bekommt sie dafür einen Ökopunkt“, sagt Josef Turmbrink. „Dafür darf sie an anderer Stelle eine Straße bauen, die eine große Fläche freies Land versiegelt.“ Gerade für die finanzschwachen Kommunen des Ruhrgebiets ist dieses Geschacher eine große Versuchung. Schließlich können so ganze Gebiete erschlossen werden, für die sonst aus Umweltschutzgründen keine Baugenehmigung erteilt werden dürfte. Und das zieht wiederum private Investoren an.

Bislang haben in Nordrhein-Westfalen nur die Bauämter der Städte ein solches Ökokonto. Und Punkte gibt es auch nur, wenn auf bebauten oder bebauungsfähigem Land Naturschutzprojekte verwirklicht werden. Bald sollen jedoch auch private Investoren Ökopunkte sammeln können.

„Hinter den Kulissen lassen sich jetzt schon Industrielle ihre guten Taten gutschreiben“, sagt Stefanie Rebsch vom Landesverband Naturschutz. „Das System der Ökokonten wird ganz sicher bald gesetzlich erweitert.“ Zumal Nordrhein-Westfalen das letzte Bundesland ist, in dem die Ökokonten noch nicht privatisiert wurden. Sie fürchtet, dass gerade in der privaten Industrie jeder Ökopunkt auch tatsächlich ausgegeben wird. „Wenn für jedes für die Umwelt positive Projekt auch ein negatives realisiert wird, tritt niemals eine Verbesserung des Gesamtzustands ein“, sagt sie.

„Für Dortmunds Wälder ist dieses Projekt erst einmal positiv“, sagt der Naturschützer Klaus Gelmroth. „Zumindest sind diese Gebiete dauerhaft vor Bebauung geschützt.“