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Archiv-Artikel

Zukunftspreis belohnt maskuline Innovatoren

Gestern war Halbzeit für den „Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet“. Innovative Projekte aus der Wissenschaft werden von der Landesregierung mit insgesamt 100 Millionen Euro gefördert – Geld bekommen vor allem industrienahe Männer

RUHR taz ■ Die Starken sollen die Zukunft des Ruhrgebiets sein, die Männer mit Fühlern zur Industrie. Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) will im Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet „Exzellenzen“ fördern. „Die Zeit des Jammerns ist vorbei“, sagte Schartau gestern zur Halbzeitbilanz des Projekts in Oberhausen. Jetzt sollen die neuen Gründer des Ruhrgebiets nach vorne gebracht werden. Passend zur sozialdemokratischen Elite-Idee sagt der Minister: „Wer die Klasse nach vorne bringen will, muss Primus sein.“ Und deshalb sollen die Starken gefördert werden.

Das Landes-Projekt läuft noch bis zum Jahr 2006, bis die Ziel-2-Mittel der Europäischen Region versiegen. In den nächsten drei Jahren werden noch 60 Millionen Euro an Projekte von Unternehmen vergeben, die eng mit den Hochschulen zusammenarbeiten. Seit November 2003 haben sich 130 Projekte um das Geld beworben, jedes dritte bekam es dann auch. In der ersten Halbzeit konnten vor allem Wissenschaftler aus dem Bereich der Medizintechnik das Geld einheimsen.

Preisträger ist zum Beispiel Christoph Hüls von der Firma „Protagen“ in Dortmund. Protagen forscht an einem neuen Verfahren der Proteinanalyse, die eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Krebs ermöglichen soll. „Wir wollen das Immunsystem stärken und nicht wie bei der herkömmliche Therapie den ganzen Körper kaputtstrahlen“, sagt Hüls. Carsten Hillmann aus Duisburg sorgt für weniger Abfälle: Der Ingenieur arbeitet bei der „DK-Recycling und Roheisen“ und kümmert sich um Abfallstoffe der Stahlproduktion, die bisher einfach in der Erde verbuddelt wurden. Hillmann hat ein Verfahren entwickelt, wie bisher aufwändig zu entsorgende Schleifschlämme wieder zu einem Wertstoff für Hüttenwerke werden. Andere geförderte TeilnehmerInnen des Wettbewerbs haben eine „Inline-Echtzeit-Frachtenbörse“ für Logistik-Unternehmen entwickelt, Roboterzellen zum Schleifen von freien Flächen erfunden und Bakterien „gemolken“, um Stoffe für Medikamente und Kosmetik zu gewinnen und haben für die StaatsschützerInnen herausgefunden, wie man Personen innerhalb von Gebäuden per Handy orten kann.

Auch wenn jetzt ein paar Wissenschaftler Geld bekommen, verlassen über 60 Prozent von ihnen das Ruhrgebiet nach einem Studium, hier werden 20 Prozent weniger Patente angemeldet. Harialf Grupp vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut ist dennoch froh, dass die hiesige Technologie auf einem niedrigeren Niveau ist als in den USA. „Spitzentechnologie ist teuer und bringt am Ende weniger“, sagt Grupp. Wichtiger sei es, die zweitbesten Forscher zu fördern, die brächten Arbeit und Geld. Grupp forscht, wie deutsche Innovationen auf den internationalen Märkten konkurrieren können. Für ihn steht fest: „Wir können nur bestehen, wenn wir genügend Zuwanderung haben und es schaffen, Frauen wieder in den Arbeitsmarkt zu holen.“ Der Zukunftswettbewerb wird seine Wünsche nicht erfüllen. Die gestern vorgestellten zehn Preisträger sind alle männlich.

ANNIKA JOERES