: Antihelden wie wir
Durchwachsene Stilübungen: Mit „Die Spinne und ich“ und „RobbyKallePaul“ eröffnete auf Kampnagel in Hamburg das neue Theater-Nachwuchsfestival „Außer Atem“
Dicke schwarze Brillen tragen beide. Als Zeichen ihrer Verklemmtheit. Peter Parker jedoch, der blasse Jüngling aus „Die Spinne und ich“, mutiert zeitweise zum Helden. Dann wird er Spiderman, der Spinnenmann mit sagenhaften Kräften, während Robby, der schüchterne Student aus der 3-Männer-WG „RobbyKallePaul“, sich mit Yoga und Judo aus der Welt der Außenseiter zu beamen versucht. Doch er bleibt, was er ist: ein sympathischer Antiheld.
Sympathisch ist auch das Konzept der Reihe „Außer Atem“, die am Donnerstag im Doppelpack auf Kampnagel mit Ulf Ottos Spiderman-Bearbeitung und Jorinde Dröses Komödie „RobbyKallePaul“ startete. Bis zum 17. Januar wird dem Regienachwuchs mit dieser neuen Veranstaltungsreihe eine Plattform für neue Produktionen geboten. In Kooperation mit der Theaterproduzentin Andrea Tietz, den Berliner Sophiensälen, wo die eigens konzipierten Stücke bereits im Oktober vergangenen Jahres gezeigt wurden und Kampnagel zeigen sechs junge Regisseurinnen und Regisseure Filmstoffe ihrer Wahl, die sie für das Theater bearbeitet haben. Einzige Vorgabe neben dem cineastischen Ausgangsmaterial war ein einheitliches Raumkonzept, entworfen von der Ausstatterin Esther Bialas, die mittels flexibler Bausteine auch zwei Bühnenbilder pro Abend auf die Beine stellen kann.
„Außer Atem“, Jean-Luc Godards 1959 gedrehter Klassiker der Nouvelle Vague, stand Pate für den Titel der Reihe. Natürlich kann man auf der Bühne keine ähnliche innovative Sprengkraft erwarten. Ulf Otto und Jorinde Dröse zeigen denn auch Stilwillen, erfinden das Theater aber nicht gerade neu. Was auch an der Wahl ihrer Stoffe liegt: Sam Raimis Actionfilm „Spiderman“ von 2002 und Daniel Levys Beziehungskomödie „RobbyKallePaul“ handeln zwar von Helden, sind aber nur gut verkäufliche Durchschnittsfilmware.
Dass Ulf Otto mit seiner Inszenierung um den Looser Peter Parker, der durch den Biss einer genmutierten Spinne zum Helden anvanciert, mit begrenzten Bühnenmitteln nicht gegen die Actionszenen im Film konkurrieren kann, verwundert nicht. Otto wählt allerdings den Weg der totalen Distanz: Er erzählt die Geschichte von Spiderman nicht durch Taten, sondern durch Worte. Seine textlastige Inszenierung fährt die Spannung gegen Null herunter, geht dem Heldenmythos aber auch nicht intellektuell auf den Grund. So entsteht ein Comic ohne Bilder – zäh und klebrig wie die Fäden eines Spinnennetzes.
Jorinde Dröse weiß ihr Publikum da viel geschickter einzuwickeln. Bei „RobbyKallePaul“ springt sie humorvoll mitten hinein und nutzt das eher läppische Komödchen für haarsträubende Übertreibungen. Allein die Wischmop-Perücken, die alle Beteiligten gleichmütig tragen, sind Gold wert. Mit präzisem Timing lässt Dröse drei dauerpubertierende Männer durch Liebes- und Sextäler stolpern, der eine mit penetrant bayerischem Dialekt, der zweite penetrant sinnsuchend, der dritte penetrant nach Penetration gierend.
Die rasant und gut gespielte Inszenierung täuscht jedoch nicht über den Gesamteindruck des Abends hinweg: Zeuge zu sein von mehr oder weniger gelungenen Stilübungen. Man hätte sich einen ambitionierteren Auftakt für die neue Reihe gewünscht. Karin Liebe
Nächste Vorstellungen: „Rebel, Rebel“ von Sebastian Schug, heute, 19.30 Uhr, „Das Begräbnis“ von Nora Somaini, 21.30 Uhr; Vollständiges Programm unter www.kampnagel.de