GUT, DASS DER VERBRAUCHER WEISS: FLEISCH IST NICHT SICHER : Erwünschte Nebenwirkung
Na, so eine Überraschung! Nicht jedes Steak, dass in den Handel gelangt, ist auf Rinderwahnsinn getestet. In der Tierbranche gibt es doch tatsächlich schwarze Schafe. Wirklich überraschend ist das nicht: Drei Millionen Rinder wurden geschlachtet, beinahe alle von ihnen auch getestet. Bei solch einer immensen Zahl muss es schlicht zu Unregelmäßigkeiten kommen, denn kein System kann perfekt sein. Und die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich verseuchtes Fleisch auf den Teller kam, ist verschwindend gering. Die Diskussion um die schwarz geschlachteten Viecher hat also vor allem symbolischen Charakter: Der Satz, das Fleisch sei sicher, stimmt nicht. Das Unbehagen beim Einkauf erhält neue Nahrung.
Dabei hatte sich der Verbraucher gerade wieder beruhigt. Der Rindfleischkonsum hatte nahezu das Niveau der Vor-BSE-Ära erreicht. Vor drei Jahren, zu Hochzeiten des Rinderwahns, rissen die Kunden den Biofleischern noch das letzte Gulasch von der Theke, inzwischen ist der Markt für Ökorind wieder eingebrochen. Viele Bauern mussten ihr Fleisch konventionell vermarkten, weil sie es nicht los wurden. Wurden Weihnachten 2000 für gute Produkte auch vernünftige Preise gezahlt, gilt nun wieder: Hauptsache billig. Auch teures Biofleisch ist nicht vor BSE gefeit. Aber es packt das grundsätzliche Problem unserer Landwirtschaft an. Der BSE-Skandal ist nur ein Symptom für die Krankheit der industriellen Landwirtschaft, deren Erzeugnisse den Konsumenten nichts wert sind. Zu wenige Menschen müssen zu viele Tiere betreuen und ihre Produkte zu billig verkaufen.
Die Hoffnung, der Verbraucher würde diesen Zustand durch ein verantwortungsbewusstes Verhalten an der Ladentheke beendet, war vergebens. Wie viele Skandale braucht der Mensch, bis er nur noch zwei Mal die Woche Fleisch isst, und dann gutes? Offenbar unendlich viele. Vielleicht hat die Aufregung um die BSE-Tests aber doch eine gute Wirkung: Sie belebt beim Kunden die Einsicht, dass eine Agrarwende bitter nötig ist. Etwas Rückenwind für eine nachhaltige Agrarpolitik hat ja auch etwas für sich. HEIKE HOLDINGHAUSEN