Fast alle wollen Corny

Mit Gunter und Guntram auf zu neuen Ufern: Theatermacher Corny Littmann ist für vier Jahre zum St. Pauli-Präsidenten gewählt und kündigt gleich einen Boykott der Bild-Zeitung an

„So untreu ich meinen Sexualpartnern bin, so treu bin ich diesem Verein“ Corny Littmann

Von MARCO CARINI

Der Kleinste war an diesem Abend der Größte. Eingerahmt von seinen neuen Vizes Gunter Preussker und Guntram Uhlig, behängt mit einem Fan-Schal, fiel es Corny Littmann sichtlich leicht in die Kameras zu lächeln. Seit Dienstagabend ist der bekennend schwule Theatermacher vom Kiez gewählter Präsident des FC. St. Pauli. Auf der Mitgliederversammlung des Zweitligisten konnte Littmann mehr als 78 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen.

Mit der Wahl des neuen Präsidiums-Terzetts ist die vereinsinterne „Revolution“ im Kiez-Club bis auf weiteres abgeschlossen. Die komplette ehemalige Führungsriege um Präsidenten Reenald Koch und seinen Vize Christian Pothe, Aufsichtsrat Peter Paulick und Geschäftsführerin Tatjana Groeteke ausgetauscht, das neue Leitungssteam fest installiert und vom höchsten Vereinsorgan bestätigt.

Von der abgetretenen Führungscrew und heutigen Vereins-Opposition fühlte sich allein die gekündigte Tatjana Groeteke berufen das Wort zu ergreifen, um Littmann zu beschädigen. Und beschädigte dabei nur sich selber. Groeteke warf Littmann vor „die Mitglieder zu belügen“, „undurchschaubare Allianzen“ zu schmieden und sie selber kriminalisiert und ihr durch Kündigung und rufschädigende Äußerungen „die Existenzgrundlage entzogen“ zu haben.

Doch ihre mit schmutzigen Details gespickte Anschuldigungs-Tirade fiel bei den meisten Mitgliedern durch – obwohl Littmann sich aufgrund des schwebenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens mit Groeteke zu den konkreten Vorwürfen nicht äußern konnte. Trotzdem fand der neu gewählte Präsident deutliche Worte für die Ex-Mitarbeiterin: „Mit ihren absurden Behauptungen über die Existenz schwarzer Kassen haben sie Gerüchte in die Welt gesetzt, die uns lange hinterherhinken. Wer sich so vereinsschädigend verhält, hat das Recht auf eine bezahlte Stellung im Club verwirkt.“

In seiner Vorstellungsrede zog Littmann ein positives Fazit seiner Interimspräsidentschaft (“Unterm Strich haben wir alles richtig gemacht“). Den größten Applaus erhielt er für seine Boykott-Ankündigung gegenüber der Bild-Zeitung, der er pure „Hetze“ und eine Berichterstattung „unterhalb jeder Gürtellinie“ vorwarf. Solange sich Bild-Sportchef Jürgen Schnitgerhans bei ihm nicht für die Schlagzeile „St.Pauli braucht keine Tunte als Präsidenten“ entschuldigt habe, werde er mit dieser Zeitung kein Wort mehr reden, gab Littmann unter frenetischem Beifall der Versammlung zu Protokoll.

Nachdem der Führungswechsel abgesegnet ist, hängt nun beim Kiez-Club fast alles davon ab, ob das Leitungsduo Stephan Beutel und Franz Gerber auf Dauer erfolgreich miteinander arbeitet und ob der Klassenerhalt noch gelingt. Denn ist der Abstieg nicht zu verhindern, „wird es finanziell ganz bitter“, kündigte Littmann an. Dann droht dem Verein im Kampf um die wenigen verbleibenden Arbeitsplätze ein munteres Jeder-gegen-Jeden. Dabei ist schon heute die Finanzlage des Clubs extrem angespannt: Die zusätzlichen Gehälter für die jüngst angeheuerten Spieler und die Abfindungen für Christian Pothe und die geschassten Trainer Dietmar Demuth und Joachim Philipkowski, mit dem sich der Verein gestern einvernehmlich einigte, belasten den Etat.

Kaum noch ein Thema ist deshalb auch das avisierte neue Stadion am Millerntor. „Luftschlösser sind mit mir nicht zu bauen“, konterte Littmann Nachfragen aus. Der Neu-Präsident machte auf der Mitgliederversammlung klar, dass er erst „in drei bis fünf Jahren“ mit einem abgeschlossenen Stadionneubau rechnet.

Anders als Ex-Vereinschef Reenald Koch setzt er bei der Finanzierung nicht auf angeblich einwerbbare EU-Fördermittel, sondern darauf, dass Hamburg am 12. April zur deutschen Bewerberstadt für Olympia 2012 gekürt wird. „Dann gibt es andere Voraussetzungen“, hofft der Präsident auf externe Finanzspritzen.

Von 642 an der Präsidentenwahl teilnehmenden Mitgliedern sprachen sich bei 46 Enthaltungen 503 für und 92 gegen Corny Littmann als neuen Club-Chef aus. Seine Stellvertreter Gunter Preussker und Guntram Uhlig konnten 458 und 376 Stimmen auf sich vereinigen.