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Archiv-Artikel

Sozialpolitik in der Defensive

Sozialressort beantwortet große Anfrage von SPD und CDU: Ohne wirtschaftlichen Aufschwung und ressortübergreifende Maßnahmen werden viele SozialhilfeempfängerInnen langfristig auf Stütze angewiesen sein

Von ede

Bremen taz ■ Sozialpolitik ist in der Defensive. Bisherige Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit in den Sozialzentren oder auch die verstärkte Kontrolle von SozialhilfeempfängerInnen sind ausgeschöpft. In Zukunft liegt hier wenig finanzielles Einsparpotenzial. Nur ein wirtschaftlicher Aufschwung und eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Ressorts könnten helfen, die vergleichsweise immer noch hohe Zahl bremischer SozialhilfeempfängerInnen zu senken. Das ist das Fazit einer Antwort aus dem Haus von Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) auf die gemeinsame große Anfrage von CDU- und SPD-Fraktion zur „Senkung der Sozialhilfekosten“. Am Dienstag steht sie auf der Tagesordnung des Senats.

Anlass der Anfrage: Trotz aller Umstrukturierung im Sozialbereich führt Bremen im Ländervergleich noch immer bei den Ausgaben pro SozialhilfeempfängerIn – 601 Euro im Schnitt. Auch die Sozialhilfedichte weist Bremen als das Land mit der höchsten Sozialhilfequote aus. Den Vergleichsmaßstab weist das Sozialressort allerdings fundiert zurück. Flächenländer dürften mit Städten – und also Stadtstaaten – nicht verglichen werden, heißt es. In Städte ziehe es Bedürftige auch in der Hoffnung, hier mehr Chancen zu finden, sich aus der Abhängigkeit von Sozialhilfe wieder befreien zu können. Zugleich seien Hilfebedürftige in Ballungsgebieten über ihre Rechte besser informiert. Die „Dunkelziffer“ von Menschen, die auf ihren Rechtsanspruch auf Hilfe verzichten, sei hier wohl geringer. Was die Ausgaben betreffe, seien in Städten hohe Mieten ein Faktor.

Aus Sicht der Behörde nimmt die Stadt Bremen mit seinen Sozialhilfeausgaben vielmehr einen Mittelplatz ein, wenn der angemessene Vergleich zwischen 15 ähnlichen Städten zugrunde gelegt wird. Möglich sei hier sogar ein Aufsteigen – wegen des seit Jahresbeginn gekürzten Kleidergelds. Auch seien die Ausgaben zur Hilfe zum Lebensunterhalt in den vergangenen drei Jahren um ein bis 3,5 Prozent gesunken. Doch liege die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen in der Stadt weitgehend stabil bei über 47.500. Eine Ziffer, die trotz verstärkter Vermittlungsversuche in Arbeit kaum sinken werde: Allein zwischen Oktober 2002 und 2003 registrierte das Arbeitsamt einen Anstieg um acht Prozent bei den Arbeitssuchenden, auf eine offene Stelle kommen derzeit 10 Arbeitslose.

Auch die – kostensenkende – Wirkung von Kontrolle und Strafe ist laut Ressort weitgehend ausgereizt. Nach den ersten Kürzungen (2001 bei 1.115 stadtbremischen EmpfängerInnen) sinke die Zahl von Personen, deren Sozialhilfe beschnitten werde, stetig. „Das könnte darauf hindeuten, dass die EmpfängerInnen ihrer Verpflichtung zur Selbsthilfe verstärkt nachgekommen sind“, deutet die Behörde dies. Über das Schicksal von 378 Personen, denen die Stütze seit 2001 völlig gestrichen wurde, sei nichts bekannt. Nicht auszuschließen sei, dass sie wieder Sozialhilfe beantragt haben.

Zur viel diskutierten Frage von Sozialhilfemissbrauch gibt die Behörde an, dass jeder Schaden über 50 Euro eine Strafanzeige wegen Betruges zur Folge hatte. Eine unabhängige Recherche der taz ergab dazu, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik im Vergleichszeitraum keine Veränderung ausweist.

Auch der Datenabgleich zwischen Sozialbehörde und KFZ-Zulassungsstelle über unzulässigen Autobesitz „hat in Bremerhaven keine nennenswerten Ergebnisse gebracht“, so die Behörde. Wohl auch deshalb steht sie jeder Initiative zum weiteren verschärften Datenabgleich skeptisch gegenüber: Effekte könnten höchstens minimal sein. ede