Beamte blockieren Leitung

Die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen könnten einfacher und billiger werden, wenn sie das Internet nutzten. Die Technik steht bereit, aber der Staat engagiert sich nur, wenn er profitiert

von ULRICH HOTTELET

Dem Schlagwort des „E-Government“ erging es nicht besser als der New Economy insgesamt. Die Euphorie ist verflogen, von einem Zuwachs an Demokratie und Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen wagt kaum noch jemand zu reden. Nur das Versprechen, Kosten zu sparen, ist angesichts leerer Staatskassen noch immer aktuell: „Die Philosophie des E-Government ist heute der Aufbau einer modernen und leistungsfähigen Verwaltung“, sagt Carolin Welzel, Projektmanagerin der Bertelsmann Stiftung. „Dabei erleben wir momentan eine Konzentration auf die technischen Prozesse. Die Lösungen sind da, aber die Standardisierung und die Übersichtlichkeit der Angebote stehen noch aus.“

In die gleiche Kerbe haut der Hauptgeschäftsführer des BDI, Ludolf von Wartenberg: „Die Zeit der Regionalprojekte und Modellversuche ist abgeschlossen, nun muss die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung mit Hilfe der neuen Technologien endlich flächendeckend zum Durchbruch kommen.“ Und Michael Hokkeler, Referent beim Fachverband „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“, ergänzt: „E-Government muss sich heute wegen der Haushaltslöcher rechnen. Wir müssen langsam weg von den nicht vernetzten Pilotprojekten und hin in die Breite.“

Ebendiese Breitenwirkung versprach man sich lange von der Einführung der digitalen Signatur. Doch auch hier ist die Begeisterung vorbei. Hokkeler: „Man hat die Auffassung aufgegeben, dass die meisten E-Government-Anwendungen nur mit digitaler Signatur möglich sind.“ Daran wird auch kaum ein Weg vorbeiführen, denn die Finanzierung von Chipkarte und Lesegerät ist zwischen Staat, IT-Unternehmen und Banken immer noch strittig. „Eventuell wird sich der Bürger finanziell beteiligen müssen“, resümiert der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Göttrik Wewer, den Stand der Verhandlungen.

Es darf nichts kosten

Doch dazu müsste die Chipkarte attraktive Nutzungsmöglichkeiten bieten. Ein Beispiel für die immer noch lückenhafte Realisierung von E-Government-Angeboten ist die Hochwasserhilfe in Sachsen. Zwar können Flutopfer ihren Antrag auf staatliche Unterstützung online stellen, ihre Unterschrift unter den Antrag müssen sie aber in Papierform nachreichen. Die digitale Signatur machte diesen Mehraufwand überflüssig. Doch wenn es um neue Techniken geht, unterscheidet sich der Bürger kaum von seinem Staat: Erst wenn Einsparungen winken, steigt die Begeisterung.

Nach einer Studie der Marktforscher von IDC wachsen die Ausgaben für E-Government-Dienste in Westeuropa in diesem Jahr um 22 Prozent auf 2,8 Milliarden Dollar. Die Umstellung auf die elektronische Verwaltung werde zum Antriebsmotor für die gesamte Branche. Dagegen hinkt Deutschland hinterher: Die IT-Berater von Cap Gemini, Ernst & Young zeigten in einer Untersuchung im Auftrag der EU-Kommission, dass die Bundesrepublik vergangenes Jahr von Platz 14 auf Platz 16 abfiel und vor Belgien und Luxemburg das Schlusslicht bildet. Spitzenreiter sind Schweden und Irland. „Wir brauchen einen strategischen Kopf, der die vielfältigen Initiativen von Bund, Ländern und Gemeinden koordiniert und bündelt“, fordert Willi Kaczorowski, Leiter des Bereichs öffentliche Verwaltung bei Cap Gemini in Berlin. Am weitesten entwickelt, so die Studie, sind immer die Onlinedienste, die Staatseinnahmen sichern, am schlechtesten dagegen diejenigen, die eine staatliche Dienstleistung vermitteln, etwa eine Genehmigung, die man sich am PC besorgen könnte.

Das in Genf angesiedelte Weltwirtschaftsforum kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Sein mehrere hundert Seiten umfassender „Global Information Technology Report“ bewertete 82 Nationen in einer Rangfolge auf der Basis eines „Network Readiness Index“. Überraschend nimmt die deutsche Wirtschaft die weltweite Spitzenposition ein, wenn es um die kommerzielle Nutzung des Internets geht. Anders beim E-Government: Hier landet Deutschland auf dem 32. Platz. Staatssekretär Wewer schiebt den schwarzen Peter flugs an andere: „Das Problem liegt bei den Ländern und Gemeinden.“

Dennoch müssen die Anbieter von Lösungen für die elektronische Verwaltung nicht Trübsal blasen. Die größten inländischen Aufträge kommen in den nächsten zwei Jahren im Gefolge der Initiative „BundOnline 2005“ des Innenministeriums. „Dabei geht es um 1,65 Milliarden Euro. Eine solche Summe macht schon sinnlich“, freut sich der IBM-Vertriebsleiter für E-Solutions im öffentlichen Sektor, Dirk Wagner.

Bafög online

Ziel der europaweit beispiellos umfassenden und komplexen Initiative ist es, bis 2005 die über 350 internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung online verfügbar zu machen. Betroffen sind alle: Bürger, Wirtschaft und Behörden Auch der Vertreter von „Big Blue“ unterstreicht die möglichen Kosteneinsparungen durch E-Government. Schon die Konzeption zeige oft überflüssige Geschäftsprozesse, die zuvor keiner hinterfragt habe. Darüber hinaus böten Webdienste die Chance, riesige Papiermengen zu sparen.

Carolin Welzel kann da nur zustimmen. „Die E-Administration ist gerade im gewerblichen Bereich interessant. Gewerbeauskünfte können mit weniger Aufwand gegeben werden und Rechtsanwälte, Notare und Beerdigungsunternehmen können ihren Schriftverkehr mit Behörden schneller und einfacher abwickeln“, sagt sie. Und Wagner merkt an, dass der akademische Nachwuchs schon heute seinen Formularkram weitgehend via Internet abwickelt: 90 Prozent der Bafög-Anträge werden online gestellt.

Ruhig geworden ist es derweil um den vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten E-Government-Städtewettbewerb Media@Komm. „Die Preisträger Esslingen, Bremen und Nürnberg haben bislang zwar viel entwickelt, aber nicht genug in die Breite vermittelt. Nachdem die Initiative aber 60 Millionen Mark gekostet hat, will man sie dennoch fortsetzen, sagt die Fachfrau von Bertelsmann, „aber mit weniger Mitteln als in der Vergangenheit.“

Ulrich.Hottelet@t-online.de m