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Archiv-Artikel

Mobil gegen einen Krieg im Irak

In Italien stehen Autonome, Gewerkschaften und Kirchen in einer Front gegen die Politik der Regierung Berlusconi. US-Militärtransporte werden behindert, Hafenarbeiter drohen mit Streik und der Papst ruft zu Gebeten gegen einen Angriff auf

Eine Debatte im Parlament hat bisher nicht stattgefunden

aus Rom MICHAEL BRAUN

Mit einem nationalen Protesttag erreichten die Demonstrationen gegen die Nutzung des italienischen Eisenbahnnetzes für US-Militärtransporte gestern einen ersten Höhepunkt. Schon seit Ende letzter Woche liefern sich kleine Gruppen von „Ungehorsamen“ – der in den Autonomen Zentren entstandenen Bewegung des zivilen Widerstands – und Polizisten ein Katz-und-Maus-Spiel auf der Strecke von Vicenza im Nordosten Italiens nach Pisa; zur dort gelegenen US-Basis Camp Darby nämlich rollen Züge mit Kriegsmaterial, das zur Verschiffung Richtung Golfregion bestimmt ist. Die Verhinderung dieser Transporte gelang bisher nicht, wohl aber eine deutliche Verzögerung durch die Demonstranten, die Gleise und Bahnhöfe besetzten.

Gestern nun mobilisierten die Pazifisten entlang der gesamten Strecke zu Protestaktionen; für den späten Nachmittag war eine Demonstration in Pisa geplant, zu der neben den „Ungehorsamen“ auch zahlreiche andere Kräfte der Friedensbewegung – der linke Freizeitverband Arci, die katholische Rete Lilliput, die Metallgewerkschaft FIOM, Kommunisten und Grüne – aufriefen.

Die Regierung reagiert mit lauter werdenden Repressionsdrohungen. Innenminister Giuseppe Pisanu kündigte massive Polizeieinsätze an; zudem sollen festgenommene Demonstranten mit Strafverfolgung wegen Sabotage – Mindeststrafe acht Jahre – rechnen müssen. Allerdings ließ die Staatsanwaltschaft Pisa verlauten, sie sehe das Vorliegen von Verbrechen bei den bisher friedlich verlaufenen Blockaden nicht gegeben.

Verlegen reagierten dagegen die Mitte-links-Oppositionsparteien auf den zivilen Ungehorsam. Während einige ihrer Vertreter die Blockaden als „illegal“ verdammten, erklärte Massimo D’Alema von den Linksdemokraten, er sei gegen Formen des Protestes, die den Konsens der Bevölkerung mit der Friedensbewegung gefährden könnten.

Das ist allerdings sehr fraglich. So konnten sich die „Ungehorsamen“ in Pisa am Dienstagabend über den Applaus von Eisenbahnern und Zugpassagieren freuen, als sie die Motive ihres Protestes darlegten. Und sie können der Unterstützung aus den Gewerkschaften sicher sein: Die Eisenbahner der CGIL starteten eine Postkartenaktion an Silvio Berlusconi.

Heute ist zudem eine Versammlung der Hafenarbeiter von Livorno geplant, an der auch der Vorsitzende der CGIL, Guglielmo Epifani, teilnehmen wird. Schon jetzt ist die Marschroute der Schauerleute in Livorno genauso wie in Genua und den anderen italienischen Häfen klar: Sie haben angekündigt, bei einer anstehenden Verladung von Militärgut sofort in den Streik zu treten. Den Segen der CGIL – des größten Gewerkschaftsbundes – haben sie schon: Ihr Vorstand beschloss, „alle gewerkschaftlichen Aktionen zu ergreifen, um sich dem Krieg entgegenzustellen“, sprich: bei Kriegsausbruch auch bis zu einem Generalstreik zu schreiten. Dabei sein wollen die Gewerkschafter aber auch am 5. März, mit einem relativ ungewöhnlichen Partner: Für den Aschermittwoch hat der Papst die Katholiken zu einem Tag des Fastens und des Gebetes gegen den Krieg aufgerufen.

Vor allem der katholische Protest ist ungemütlich für die Regierung Berlusconi, denn er erreicht ihre Kernwählerschaft: Laut einer von der Zeitschrift Famiglia Cristiana in Auftrag gegebenen Umfrage verzeichnen die Regierungsparteien unter regelmäßigen Kirchgängern ein Minus von gut 7 Prozent, während die Opposition 8 Prozent zulegt.

Vor diesem Hintergrund setzt Berlusconi den bisher schon verfolgten Kurs fort, einerseits die Kriegsvorbereitungen der USA nach Kräften zu unterstützen, andererseits aber seine Politik gleichsam unter Ausschluss der Öffentlichkeit umzusetzen. Eine Parlamentsdebatte, gar ein Votum über den italienischen Kriegsbeitrag hat bisher nicht stattgefunden. Stattdessen teilt die Regierung immer wieder gleichsam en passant mit, was gerade fällig ist. So gab es die Information, dass Italiens zivile Infrastrukturen für die US-Militärtransporte zur Verfügung stehen, in einem Brief des Verteidigungsministers Antonio Martino an die zuständigen Parlamentsausschüsse, und so ließ Martino jetzt auch ganz nebenher wissen, in den Awacs-Flugzeugen, die über der Türkei kreisen werden, kämen italienische Soldaten zum Einsatz.