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Archiv-Artikel

„Der Krieg wird endlos“

Attac-Vizepräsidentin Susan George über das Penetrationsbestreben der Bush-Regierung

Interview UTE SCHEUB

taz: Manche Leute sagen, der Neoliberalismus sei die Software und die Militarisierung die Hardware der Globalisierung. Teilen Sie diese Meinung?

Susan George: Natürlich, das sind zwei Seiten einer Medaille. Der Chef der Kriegsplanungsabteilung im Pentagon schrieb 1997 oder 1998 in der Armee-Zeitschrift Parameter: „Die Welt muss offen bleiben für unsere ökonomische Penetration und unseren kulturellen Vorstoß. Für diese Ziele sollten wir einen hübschen Tötungsbeitrag leisten.“ Dieser Mann wusste, worüber er sprach. Es geht also auch darum, die Mentalität der Leute zu verändern.

Was heißt das, bezogen auf die Irakkrise?

Die Leute rund um Präsident Bush haben ein sehr ideologisches Programm. Sie wollen den Irak auch ideologisch und psychologisch „umdrehen“. Aber was sie sagen, ist total verrückt. Es ist unmöglich, ein Land per Besatzungsmacht die Demokratie aufzudrücken. Dennoch: Die kulturelle Penetration ist der Bush-Regierung genauso wichtig wie die ökonomische. Es ist kurzsichtig und kindisch zu behaupten, dieser Krieg würde nur ums Öl geführt. Diese Imperialismustheorie aus dem 19.Jahrhundert kann die heutige Realität nicht mehr erklären.

Auf der einen Seite steht die Supermacht USA, die ihre Hegemonie mit Krieg durchzusetzen droht, auf der anderen Seite die globalisierungskritische Bewegung. Erleben wir einen Machtkampf auf globaler Ebene, vielleicht sogar einen historischen Wendepunkt?

Ich denke schon, aber das alles ist sehr gruselig. Vielleicht werde ich langsam alt, aber ich habe das Gefühl, einen Alptraum zu erleben, die andere Seite scheint sich definitiv durchzusetzen. Ich will damit nicht sagen, dass damit die Geschichte zu Ende geht. Aber wenn es nach dem Willen der US-Regierung geht, dann werden wir „endlosen Krieg“ erleben, wie ihr Vizepräsident Dick Cheney gerne sagt.

Wir würden also dauerhaft von den USA „kulturell penetriert“, wie Sie sagen. Was für Folgen hätte das?

Wenn sich die Hegemonie der USA mitsamt ihrem verschwenderischen Lebensstil weiter ausweitet, dann kollabiert die Umwelt unseres Planeten. Aus der Sicht der Natur sind die Menschen die schlimmsten Raubtiere, sie sollten besser ausgerottet werden. Wenn es also nach Bushs Willen geht, wird es ein Massensterben geben – nicht nach Hitlers Art, sondern durch Armut und Krankheiten, durch Massenverelendung. In meinem Buch „Der Lugano-Report“ habe ich ein fiktives Szenario entworfen.

Wie sieht das aus?

Meine Grundthese war, dass der Kapitalismus Massen von überflüssigen armen Leuten erzeugt, die nicht in die Ökonomie einbezogen werden können, weil sie weder produzieren noch konsumieren, und die deshalb am Ende ausgelöscht werden. Sei es durch Aids wie in Afrika, sei es durch nette Kriege oder prima Hungerkatastrophen. Diese Leute zählen einfach nicht. Die Zivilisten im Irak, die in einem Krieg sterben werden, zählen ja auch nicht. An sie zu denken wäre aus Sicht der US-Regierung nur sentimentaler Pazifismus. Wenn sich die Welt aber in Richtung der globalisierungskritischen Bewegung ändert, dann haben wir eine Chance: Wir müssen sehr schnell breite Allianzen aufbauen, und wir müssen die Fehler früherer Bewegungen vermeiden: die Anwendung von Gewalt.