Das Maß ist gestrichen voll

Der CDU-Brief an US-Präsident Bush führt in der krisengeschüttelten großen Koalition Brandenburgs wieder zu Streit. Schritt für Schritt kommt die PDS näher an die Macht

Sie kommen inzwischen so sicher wie das Amen in der Kirche: die Krisen in Brandenburgs großer Koalition. Während sie bisher jedoch immer als überwindbar galten, steuert das schwarz-rote Regierungsbündnis jetzt auf eine Entscheidung zu. „Noch so ein Ding geht nicht mehr“, hieß es gestern in der Potsdamer Staatskanzlei. Das „Ding“ ist eine von CDU-Landtagsabgeordneten unterschriebene Resolution, in der sie US-Präsident George W. Bush ihre Solidarität versichern.

Gemeinsam mit 13 Christdemokraten im Berliner Abgeordnetenhaus üben darin 16 Brandenburger ätzende Kritik an der rot-grünen Bundesregierung und deren Verhalten im Irakkonflikt. Sie „hat unser Land wirtschaftlich ruiniert …“, heißt es außerdem in dem Brief, der gestern dem US-Botschafter Dan Coats übergeben wurde.

Alles wäre sicherlich weniger dramatisch, stünde nicht der Name von Brandenburgs CDU-Chef und Innenminister Jörg Schönbohm darunter. Für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist die „Ergebenheitsadresse“ schlicht „peinlich“. Für so etwas sei zu DDR-Zeiten Moskau der Adressat gewesen.

Während der Initiator des Briefes, Dieter Dombrowski, den Vorstoß gestern noch mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung begründete, war die CDU-Spitze um Schadensbegrenzung bemüht. Er habe den „Duktus“ des Textes nicht genügend beachtet, räumte Schönbohm im ORB-Fernsehen ein. „Zum Wohle des Landes ist es jetzt an der Zeit, sich insgesamt in mehr Mäßigung, aber auch Gelassenheit zu üben“, schob der frühere Bundeswehrgeneral später eilig nach.

Es ist kein Geheimnis, dass die SPD-Spitze schon vor einiger Zeit zu den Sozialisten Fühlung aufgenommen hat. SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness erklärte sie schon einmal vorsorglich für regierungsfähig. Umgekehrt zeigte sich PDS-Landeschef Ralf Christoffers „grundsätzlich“ zu einer rot-roten Koalition bereit. Vorangetrieben hat diese Entwicklung auch eine dramatische, zwölfstündige Kabinettssitzung am 11. Februar, in der sich SPD und CDU nur mit knapper Not auf einen Sparhaushalt einigten.

Regulär wird erst im Herbst 2004 ein neues Parlament gewählt. „Im Prinzip“ wolle Platzeck das 1999 von ihm mitgeschmiedete rot-schwarze Bündnis erhalten, sagen Vertraute – aber nicht um jeden Preis.

Jörg Schönbohm mag sich heute an einen Satz erinnern, den er vor einem Jahr äußerte, als das Zuwanderungsthema die große Koalition vor die Zerreißprobe stellte: „Ich möchte nicht die Hand dafür reichen, dass die Kommunisten in Brandenburg an die Macht kommen.“ DPA