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Archiv-Artikel

berliner szenen Unstabiler Zustand

Magnesium gegen Kater

Im Kopf ist es graurosa bewölkt mit Neigung zu kleineren Schauern. Manchmal kommt ein Kopfschmerz daher wie ein Blitz zwischen den Augen und Donnergrollen im Hinterkopf. Manchmal auch umgekehrt. Auf dem Nachttisch: Zigaretten, Paracetamol und Jägermeister. Auf dem Boden: verstreute Anziehsachen. Der Zustand eher: unstabil; zu wenig, als dass man sagen könnte, es ginge einem schlecht. Zu viel, um auch nur daran zu denken, halbwegs entschlossen den Alltag in Angriff nehmen zu wollen.

„Hast du Aspirin?“ – „Nur Paracetamol.“ – „Na ja.“ – „Na ja.“ – „Calcium, Magnesium oder Multivitamin?“ – „Magnesium … nein, doch lieber Calcium.“ – „Ich kann ja einen Magnesium-Calcium-Mix machen. – „Nicht so gut. H. meinte, das würde sich neutralisieren. Oder man muss, glaub ich, Calcium vor und Magnesium nach dem Essen nehmen.“ – „Vielleicht auch umgekehrt.“ – „Vielleicht auch umgekehrt.“ – „Du machst es schon richtig.“

Je mehr man an das Unstabile des eigenen Zustands denkt, desto unstabiler fühlt sich das an. Im Kopf, im Gesicht, in den Augen, in den Händen. Hibblig auch die Sachen, die im Oberkörper sind. Oder in der Körpermitte. Flau der Bauch zum Beispiel. Nur die Beine scheinen wohlauf zu sein und okay. Aber die Beine braucht man momentan nicht wirklich. Die Zigaretten rauchen sich so dahin, das neue Jahr ist eine schöne Landschaft von weitem, in der man ohne Regenschirm herumsteht, eine tolle Wohnung, die man noch nicht kennt, und an der Wand stehen die Umzugskartons; das neue Jahr ist schon da, nur man selbst noch nicht ganz. Wie Jetlag so ähnlich und es geht einem auch nicht wirklich schlecht, nur die Leute im Fernseher sollten vielleicht etwas leiser sein. DETLEF KUHLBRODT