RAF-Kunst jetzt ungehemmt

Kunst-Werke haben den politischen Druck satt und verzichten auf die öffentlichen Zuschüsse für die RAF-Ausstellung. Am Projekt aber halten sie fest und wollen die Schau nun mit Spenden finanzieren

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

„Locke“ Udo Waltz darf ungestraft Ulrike Meinhof die Haare schneiden. Andreas Baader ist noch immer gut genug für eine Headline, wenn es um Sex im Hochsicherheitstarkt in Stammheim geht. Für die geplante Ausstellung zur Geschichte der terroristischen „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF) hingegen hat der politische Druck das öffentlich geförderte Bilderverbot durchgesetzt. Die umstrittene RAF-Schau der Berliner Kunst-Werke in der Auguststraße wird ohne Mittel des Bundes realisiert werden. Am Montag zogen die Ausstellungsmacher ihren Antrag beim Hauptstadtkulturfonds zur Finanzierung des Projekts zurück.

Klaus Biesenbach, Leiter der Kunst-Werke, begründete den Schritt mit dem fortwährenden „politischen Gerangel“ um die Ausstellung. Dieses ziele darauf ab, dass das Konzept „in seinem weiteren Verlauf nicht sachlich an seinen Inhalten gemessen wird, sondern zum politischen Spielball verkommt“. Die Kunst-Werke hätten sich die Entscheidung schwer gemacht. Dennoch wollen die Kunst-Werke die Ausstellung wie vorgesehen im Winter 2004/2005 zeigen. Sie soll nun mittels Spenden und durch eine Edition finanziert werden, an der sich Künstler und Privatpersonen beteiligen können, sagte die Kunst-Werke-Sprecherin Meike Kruse der taz.

Der KW-Vorstoß kam gestern überraschend. Noch am Morgen hatte Torsten Wöhlert, Sprecher von Kultursentor Thomas Flierl (PDS), bestätigt, dass am Nachmittag das Hauptstadtkulturfonds-Kuratorium über den Antrag beraten werde. Am Mittag kam dann der Rückzieher der Ausstellungsmacher zur RAF-Schau. Damit endet vorläufig das langwierige Gezänk um die RAF und die Kunst-Werke.

Bild hatte im Juli 2003 über die Befürchtung von Angehörigen der RAF-Opfer berichtet, dass bei der Ausstellung unter dem Arbeitstitel „Mythos RAF“ die Taten der Baader-Meinhof-Gruppe glorifiziert würden – obwohl noch nicht einmal ein Konzept der Kunst-Werke für das RAF-Projekt vorlag. Daraufhin hatten zahlreiche Politiker, unter ihnen Bundeskanzler Schröder (SPD), Friedrich Merz (CDU) und FDP-Chef Westerwelle, wütende Angriffe gegen eine Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds erhoben. Zugleich wurde – trotz eines modifizierten Konzepts mit Kunstwerken zur RAF wie denen von Gerhard Richter – die Rückzahlung des bereits geleisteten öffentlichen Zuschusses in Höhe von 100.000 Euro durch Kulturstaatsministerin Weiss eingefordert. Berlins Regierender Bügermeister Wowereit und Flierl hatten sich dagegen für die RAF-Schau als „wichtigen Beitrag“ ausgesprochen.

Für die Kunst-Werke bedeute der Rückzug zugleich die Chance, dass nun die Ausstellung „frei, ohne Angst und ohne die Kritik an den öffentlichen Geldern gemacht werden kann“, betonte Kruse. Gleichzeitig wies sie Vermutungen zurück, die Kunst-Werke seien pleite, müssten sie die 100.000 Euro zurückzahlen. Es werde „ein Modus“ gefunden, die Leistungen zurückzugeben.

Klaus Biesenbach blickte ebenfalls nach vorn. Die Entscheidung komme einem „Befreiungsschlag“ gleich, erklärte der KW-Leiter. „Wir machen die Ausstellung jetzt so, wie wir sie für richtig halten, und nicht als Konsensprodukt.“ Solange eine Debatte über die Verknüpfung mit öffentlichen Geldern bestünde, wäre das Projekt immer Streitobjekt politischer Interessen geblieben. Dass eine RAF-Ausstellung richtig und nötig sei, beweise das öffentliche Interesse. Christina Weiss betonte in einer ersten Reaktion, jetzt könne die Kunstausstellung weiter vorbereitet werden, „ohne Kritikern die Chance zu geben, die staatliche Unterstützung als Vorwand für politische Polemik zu missbrauchen“.