: Polizei schließt Reihen
Ministerium und Behördenleitung ziehen nach Freisprüchen im Hagener Polizei-Prozess Schlussstrich. Beschuldigte Beamte bald wieder in Uniform
VON MARTIN TEIGELER
Nach den Freisprüchen im Hagener Polizei-Prozess gehen Ordnungshüter und Innenministerium zur Tagesordnung über. Fünf Hagener Polizeibeamte waren am Montag vom Vorwurf freigesprochen worden, eine Kollegin gedemütigt und gequält zu haben (taz berichtete). Hagens Polizeipräsidentin Ursula Steinhauer teilte unmittelbar nach der Urteilsverkündung mit, dass die fünf Beamten nach ihrer Suspendierung bald wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren könnten. Nach Bekanntwerden des Vorfalls im April 2002 waren die Mitarbeiter der Hagener Innenstadtwache vom Dienst suspendiert worden. „Ich bin erleichtert, dass das Gericht die Beamten freigesprochen hat“, sagte Polizeichefin Steinhauer.
Opfer und Nebenklägerin Yvonne S. zeigte sich dagegen enttäuscht von dem Urteil und prüft nun eine Revision. Den Tränen nahe, sagte sie nach dem Ende der Verhandlung: „Ich habe nur geklagt, damit anderen Polizistinnen nicht das Gleiche passiert.“ Yvonne S. hatte behauptet, von den fünf Kollegen mit Handschellen gefesselt und an einem Kleiderhaken aufgehängt worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft hielt ihre Version für glaubwürdig und forderte Bewährungsstrafen. Das Gericht glaubte der einzigen Zeugin jedoch nicht. Thomas Etzel, Anwalt des Opfers, hatte den drohenden Freispruch bereits in seinem Plädoyer kritisiert: „Das schadet unserem Rechtsstaat.“ Es könne nicht sein, dass Polizistinnen wehrlos gegen gewaltsame Übergriffe ihrer Kollegen seien.
Das NRW-Innenministerium mag den Ausgang des Verfahrens nicht kommentieren, zieht jedoch einen Schlussstrich unter die Affäre. „Das Urteil muss jetzt jeder akzeptieren“, sagt Ulrich Rungwert, Sprecher des Innenministeriums. Die letztliche Wahrheit wüssten allein die Beteiligten. 2002 war die Hagener Affäre im Landtag zum Politikum gemacht worden, der Innenausschuss befasste sich mit dem Thema. Regierungspolitiker forderten damals Konsequenzen im männerdominierten Polizeibetrieb und Maßnahmen gegen frauenfeindliche Exzesse. Innenminister Fritz Behrens (SPD) stellte sich öffentlich hinter die Suspendierung der beschuldigten Beamten. Mobbing und Psychoterror würden behördenintern bekämpft, sagt Ministeriumssprecher Rungwert heute, und verweist auf landesweit 230 soziale Ansprechpartner in den Polizeidienststellen.
Noch bevor die Revision des Hagener Prozesses ansteht, könnte der Fall noch andere rechtliche Folgen haben. Die Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten hat gegen den Richter am Amtsgericht Hagen, Michael Brass, Anzeige wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Strafvereitelung gestellt. Brass hatte den Anklagepunkt „Körperverletzung im Amt“ nicht zugelassen, obwohl die Beschuldigten ihre Taten auf der Dienststelle und in Uniform ausgeübt haben. Für Thomas Wüppesahl, in den 1980er Jahren grüner Bundestagsabgeordneter und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, ein „Polizei-Skandal“, der durch die richterliche Entscheidung verharmlost worden sei. Trotzdem rechnet Wüppesahl nicht mit juristischen Konsequenzen für Amtsrichter Brass: „Deutsche Richter verurteilen ihre Kollegen nicht – das war schon immer so.“