: Bildung auf Urlaubsschein
Reizwort Bildungsurlaub: Zusätzliche Freizeit für Clevere oder verbrieftes Recht für Wissensdurstige?
Wer „frustrated“ über seine Englischkenntnisse ist oder schon immer Spanisch lernen wollte, muss wohl oder übel Vokabeln pauken. Das ist aber nur halb so schlimm, wenn man sich damit im Londoner Pub oder im Café am Strand von Barcelona beschäftigen kann – noch dazu auf zusätzlichem Urlaubsschein.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Angebot nach dem Bildungsurlaubsgesetz auch anerkannt ist. Für solche Weiterbildungen muss der Arbeitgeber bis zu zehn Tage bezahlte Freistellung innerhalb von zwei Jahren gewähren.
„Aber nur etwa zwei Prozent aller ArbeitnehmerInnen nutzen diese Möglichkeit“, sagt die Sprecherin des Vereins Weiterbildung Hamburg e.V., Regina Beuck. Und das liege nicht nur an der Unkenntnis: „Bildungsurlaub ist für viele Unternehmer ein Reizwort.“ Ihr sei sogar schon das Vorurteil zu Ohren gekommen, mancher wolle damit nur sein Freizeitkonto aufpeppen. Das allerdings mag auch daran liegen, dass selbst die Homepage für ausgeschlafene Sparfüchse (www.geizkragen.de) für den legalen „Zusatzurlaub“ wirbt.
Für Karen Nakamura von den Hamburgischen Electricitäts Werken (HEW) ist diese Frage dennoch „kein Thema“. Die HEW würden dem Wunsch der MitarbeiterInnen nach Bildungsurlaub jederzeit aufgeschlossen gegenüberstehen, sagt sie und bestätigt damit auch die Erfahrungen von Regina Beuck. Größere Unternehmen wären „nicht das Problem“. Aber in kleinen Handwerksbetrieben sei Bildungsurlaub meist tabu. Und das, obwohl der Trend eindeutig dahin gehe, „während der Freistellung berufliche Fähigkeiten zu erweitern“. Aber aus schlechtem Gewissen „wird selbst dafür oft der wohlverdiente Jahresurlaub genutzt“.
Dabei sieht das aus dem Jahr 1974 stammende Bildungsurlaubsgesetz von Hamburg sogar Kurse vor, die einzig und allein den persönlichen Horizont erweitern. Wenn MitarbeiterInnen einen Tai Chi-Workshop belegen oder unter Kretas Sonne Griechisch lernen „schafft das Motivation und fördert die Teamfähigkeit. Auf solche ‚Soft skills‘ legen Arbeitgeber heute viel Wert“, weiß Beuck.
Da ist Uwe Geske allerdings ganz anderer Meinung. Der Chef eines Geesthachter Servicebetriebes für Hausgeräte „könnte einpacken“, wenn nur einer seiner vier Mitarbeiter auf die Idee käme, Bildungsurlaub zu nehmen. „Alle wissen, dass heute jede Hand gebraucht wird, um nicht von Markt gefegt zu werden.“ Dass der Gesetzgeber dieses Recht auch für Schleswig Holstein vorgesehen hat, ist für Geske „blanke Theorie“ und völlig an der Realität vorbei. Und schließlich sei es doch besser, wenn die Firma langfristig konkurrenzfähig bleibt, als wenn die Mitarbeiter nur noch Freizeit hätten.
ELKE RICHEL