: Tessiner Palazzo
Fünf Zimmer in einem Palazzo, von der Suite blickt man über Dächer, die Zimmer sind mit Antiquitäten möbliert
Unten am Lago Maggiore fächern Palmen im Südwind, doch hier wird es rauer, das Tal immer enger. Aber gerade die robuste Schönheit der Tessiner Täler zieht Urlauber an. Bald jeder Ziegenstall ist ausgebaut als Zweitwohnung. Im Valle Onsernone kann man außerdem in einem Palazzo nächtigen.
Wie in vielen Tessiner Bergdörfern stehen auch in Comologno zwei sehr unterschiedliche Haustypen: Bauernhäuser, roh aus den Steinen des Tales zusammengefügt, und herrschaftliche Palazzi. Die einen bedingten die anderen: Das Tessin war arm, den Männern blieb nichts anderes übrig, als zum Arbeiten auszuwandern. Jedes Tal hatte seine Spezialisten, im Centovalli waren fast alle Lastträger oder Kutscher in Rom, in den Tälern von Lugano Stukkateure, Maurer oder Baumeister, die Menschen aus dem Onsernone-Tal wurden Kaufleute. Reich gewordene Emigranten kehrten zurück und bauten sich vornehme Palazzi.
In so einem Palazzo in Comologno eröffnete vor drei Jahren ein kleines Hotel, Hannah Schapf aus Ravensburg führt es. Wie kam’s? „Ich hab die übliche alternative Karriere gemacht“, lacht die Süddeutsche: „Erzieherin, dann Naturkostladen, dann Seiden- und Wollkleider verkauft.“ Im Urlaub fuhr sie ins Tessin, in der Dorfkneipe fragte sie nach ein paar Gläsern Merlot der Wirt, „willst du nicht das Palazzo machen?“. Hannah Schapf zog in das einsame Tal. Aus der Dorfkneipe wurde das Restaurant Palazign, dort hängt ein Werk eines anderen Onsernone-Zuzüglers, ein signiertes Porträt von Che Guevara des Magnum-Fotografen René Burri.
Revolutionär ging es in Comologno schon in den Dreißigerjahren zu. Das Nachbarhaus, die „Barca“, wurde zu einem antifaschistischen Zufluchtsort, dort lebten Aline Valangin, Enkelin des Friedensnobelpreisträgers Élie Ducommun, und ihr Mann, der Rechtsanwalt und Freund der Emigranten, Wladimir Rosenbaum. Sie gewährten Verfolgten Gastfreundschaft
In der Osteria Palazign gibt es keine Karte, gegessen wird, was da ist, so steht es auf einer Schiefertafel. Der Wirt ist ein viel freundlicherer Mensch, als diese Drohung vermuten ließe. Marco Ramonda stammt aus einer alteingesessenen Tessiner Familie, er ist seit langem befreundet mit dem Che-Fotografen Burri – der vor zwei Jahren im Hotel seine Hochzeit feierte.
BARBARA SCHÄFER
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