Strategien bei Arbeitslosigkeit: „Montags in der Sonne“ im 3001 : Verteidigung des Selbstwertgefühls
Irgendwo an der Küste Galiziens verlässt ein Schiff den Hafen. Es hat Menschen geladen, die auf der anderen Landseite ihren Arbeitsplatz haben; Menschen, die ihren Platz an Deck schon bald mit dem am Schreibtisch, in der Fabrikhalle, am Verkaufstresen tauschen werden. Gleich werden sie das Sonnenlicht nicht mehr auf der Haut spüren, sondern das Tageslicht nur durch das Fenster wahrnehmen – wenn eines vorhanden ist.
Ein Montag in der Sonne? Für die ArbeiterInnen ist ein solcher Werktag unmöglich; „Morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden“ (Marx/Engels) – all dies ist den anderen vorbehalten, denjenigen, die das Schiff nicht bestiegen haben oder nur, um eine kleine Vergnügungsreise mit ihm zu unternehmen: den Arbeitslosen.
Für sie sind die Montage in der Sonne möglich, sie können die Parkbänke belegen, Bier trinken, gemeinsam in Kneipen versinken. Ein angenehmes Leben? Wohl kaum. Zumindest nicht in einer Gesellschaft, die Menschen danach bemisst, auf welcher Seite man steht: Ob man das Schiff zur Arbeit nimmt oder zu Hause bleibt und im Dreck versinkt. Montags in der Sonne zu sein heißt nach Maßgabe des gleichnamigen Films von Fernando León de Aranoa, darum kämpfen zu müssen, den eigenen Wert nicht zu verlieren.
Wie kann bei Arbeitslosigkeit der eigene Wert verteidigt werden und was führt den Selbstwertverlust herbei? Montags in der Sonne lotet beides entlang verschiedener Charaktere aus, die unterschiedliche Strategien haben, um mit der Arbeitslosigkeit zurechtzukommen. Da ist Santa, der sich mit zynischem Rebellentum vor Abwertungen schützt; Lino, der sich auf die absurdesten Stellen bewirbt und so die Erkenntnis von sich fernhält, dass er für die meisten Stellen zu alt ist; José, der nicht wahrhaben will, wie sehr seine Frau sich von ihm entfernt; Amador, der sich das Hirn wegsäuft, weil er die Realität nicht mehr erträgt; der Wirt Rico, der seine Identitätskonstruktion als Arbeitender aufrechterhält, indem er auf die andere Seite des Tresens wechselt.
Obwohl ihnen die Situation der Arbeitslosigkeit und der fehlenden Wertschätzung seitens der Gesellschaft gemeinsam ist, muss erst, so will es der Film, jemand sein Leben verlieren, bis Solidarität möglich ist. Gerade weil die individuelle Taktik sich selbst und andere davor bewahren soll, die Demütigung des Nicht-Gebrauchtwerdens wahrzunehmen, ist die Vereinzelung das Resultat. So müssen die Charaktere zunächst zwischen Trotz, Auflehnung, Zorn und Resignation, falschen Hoffnungen, Alkoholismus schwanken, bis das unübersehbare Zeichen des Todes sie an die Verletzlichkeit menschlichen Lebens erinnert und eine Brücke der Kommunikation schlägt.
Dass am Ende ein Schildbürgerstreich steht, der die Arbeitenden davon abhält, ihren Arbeitsplatz aufzusuchen, ist sicherlich keine gesellschaftsverändernde Vision. Vorübergehend wird die Spaltung zwischen den Arbeitenden und den Arbeitslosen jedoch aufgehoben und sie werden alle Montags in der Sonne sein. Doro Wiese
täglich bis 3.2., 21 Uhr, 3001