: Schlussakkord in Moll
Mit einem Kommissionsbericht und einer Einigung will die Weser-Ems-SPD den seit Mai tobenden Streit um die Landtagsabgeordnete Swantje Hartmann beendet haben. Wie die Wunden geheilt werden sollen, bleibt aber ungeklärt
AUS OLDENBURG BENNO SCHIRRMEISTER
Garrelt Duin wird nicht erscheinen. Um 9 : 51 : 25 Uhr hat jemand in der Geschäftsstelle im SPD-Bezirk Weser-Ems aufs Knöpfchen gedrückt und die Mitteilung über die E-Mail Verteiler in Niedersachsens Redaktionsstuben geschickt.
Zu diesem Zeitpunkt sind zahlreiche Journalisten schon in Oldenburg eingetrudelt, weitere mindestens auf dem Weg: „Pressekonferenz im Fall Hartmann“ hatte es tags zuvor bloß geheißen, Termin: 10.30 Uhr, aber das reicht: Landes- und Bezirksparteichef Duin, Mitglied des Bundestags, der nun doch fehlen wird, war neben der Delmenhorster Landtagsabgeordneten Hauptakteur im Fall Hartmann. Der schwelte seit Mai, bot die lange Sommerpause hindurch großes Pressefutter und auch mit Schuljahresanfang waren die Beteiligten nicht zur Ruhe gekommen. Als eine Viertelstunde vor Veranstaltungsbeginn Oldenburgs Ex-Oberbürgermeister Dietmar Schütz Platz nimmt – vor dem plüschig-roten Neobarock-Stuhl haben TV- und Rundfunkanstalten ihre Mikros aufgebaut, Kameraleute schrauben an Stativen, Fotografen pflanzen die Teleobjektive auf – sind die meisten Tische im Doppel-Saal belegt.
Dieser ist – laut „City Club Hotel“-Homepage – für 100 Personen geeignet. Er ist teilbar, in den Saal „Beethoven“ und den Saal „Schubert“. Und in ihm soll, den Wunsch äußert Schütz mehrfach, „ein Schlussstrich unter die Angelegenheit“ gezogen werden. Schütz war von Duin Anfang September als Leiter der „Untersuchungskommission des Bezirks Weser-Ems“ eingesetzt worden, im Fall Hartmann, versteht sich, ohne sie aber offiziell als Beschuldigte zu bezeichnen. „Das war ein interne Untersuchung“, sagt Schütz, mit dem „Ziel einer Einigung“, die in einem „Kraftakt auch gelungen“ sei.
Er sieht dabei eher nach Unvollendeter in h-moll aus als nach finaler Ode an die Freude: Trist-grauer Schnäuzer, dunkle Augenringe, müde Scherze: „Diese Nacht“, sagt Schütz, „gab es ein Dreiecksverhältnis zwischen Frau Hartmann, Garrelt Duin und mir.“ Bis halb zwei Uhr in der Frühe habe man telefonisch konferiert, um auf Basis des Kommissionsberichts eine gemeinsame Erklärung zu drechseln. „Heute morgen“, um 8.45 Uhr sei sie fertig gewesen, so Schütz. „Weitere öffentliche Stellungnahmen durch die Beteiligten erfolgen nicht“, lautet der Schlusssatz.
Was Duins Fehlen entschuldigen mag – ohne es aber zu heilen: „Für viele Fragen“, räumt Schütz ein, „bin ich der falsche Ansprechpartner.“ Zum Beispiel die, wie es weiter gehen soll: Das zu klären „ist nicht meine Aufgabe“, sagt er, nachdem er festgestellt hat, das Verhältnis sei „zerrüttet“. Wunden seien geschlagen worden„in der Fraktion und in der Partei“, in der er selbst, wie er hervorhebt, „keine Funktionen mehr“ hat.
Das muss er so betonen. Die Kommission hatte schließlich den Auftrag, unabhängig zu wirken. Und was die zusammengetragenen Fakten angeht, konnte sie den Schein wahren: Verdacht Nummer eins lautete, Hartmann habe durch eine Bahncard 1. Klasse die SPD finanziell geschädigt. Er wird ausgeräumt. Verdacht Nummer zwei: Sie habe auf Parteikosten mobil telefoniert, ohne zu bezahlen. Hier hält der Bericht fest, „dass eine Rechnungsstellung“ offenbar „nicht erfolgt“ sei. Mitglieds- und Sonderbeiträge in Höhe von insgesamt 2.380 Euro hat sie einbehalten – „seit 01. Juli 2008“, just dem Zeitpunkt also, als der Streit in die zweite Eskalationsstufe getreten war. Unkorrekt, aber nachvollziehbar, während 500 nicht überwiesene Euro für den Webservice der Partei unerklärlich bleiben. Der Fraktionsvorsitzende Jüttner wird am Nachmittag in Hannover erklären, dass eine Rückkehr der 35-Jährigen auf ihre alte Position als haushaltspolitische Sprecherin nicht zur Debatte stehe.
Das Dossier verschweigt auch nicht, dass Duin den Rücktritt seiner einstigen Vertrauten und Stellvertreterin im Landesvorsitz von ihren Parteiämtern aufgrund einer Falschinformation forciert und verkündet hat. Dass sie nie einen Offenbarungseid geleistet hat, habe „er zu disem Zeitpunkt Swantje Hartmann nicht geglaubt“, zitiert der Rapport die Aussage des Zeugen Duin.
Dennoch lobt Schütz den Landesvorsitzenden, „hochsensibel reagiert“ zu haben. Einzig, dass die Kommission „zu spät eingesetzt worden“ sei, muss sich der Abwesende ankreiden lassen; auch dass es fein gewesen wäre, „die Akteneinsicht so früh wie möglich“ zu gewähren.
Anders die Wertung der Kontrahentin: Nein, „strafrechtliche Relevanz“ sei im Verhalten Hartmanns „nie erkannt worden“, so Schütz, natürlich auch nicht bei der Nichtbezahlung nicht gestellter Rechnungen. Dort aber habe für sie „eine moralische Bringeschuld“ bestanden, meint der elder Lokalpolitiker – und stellt Hartmann als einzige Triebkraft der Presseberichte dar: „Ab 1. Juli“, sagt er, „gab es vom Parteivorstand keine öffentlichen Erklärungen mehr.“ Was schlicht unwahr ist: Mit einem Brief vom 10. Juli hatte Duin Hartmanns „gesamtes Verhalten seit dem 7. Mai 2008“ als „eine Kette von Widersprüchen, Wortbrüchen und Lügen“ gegeißelt – und das mit Bahncard- und Handyvorwürfen illustriert. Die hatte eine Woche zuvor bereits seine Stellvertreterin im Bezirksvorstand lanciert. Dass Hartmann sich dagegen per Klage und Interviews wehrte, empfindet Duins Schütz-Kommission nun „als äußerst unsolidarisch“.
„Swantje Hartmann bedauert die von ihr gewählte Kommunikationsstrategie“, heißt es daher in der Duin-Hartmann-Erklärung. Die verspricht auch, dass die juristischen Auseinandersetzungen beigelegt, keine parteiordnungsrechtlichen Schritte eingeleitet und offene Forderungen beglichen würden. Worte der Entschuldigung hat Hartmann keine gefunden. Und Duin schon mal gar nicht.