: Streikend in den Wahlkampf
Studierende der Universität setzen Protest gegen Hochschulreformen des Rechts-Senats und bundesweite Sparwut in der Bildung fort. Mehrere Institute und Zeitungsredaktion besetzt. Unmut auf dem Campus gegen Stopp des Lehrbetriebs
Von EVA WEIKERT
Benjamin Mähl ist genervt. Eine Gruppe von rund 50 Studierenden zieht an ihm vorbei, die mit Pfeifen und Bannern auf dem Campus der Universität zum Streik aufruft. Weil Studierende mehrere Institute der Hochschule in Rotherbaum besetzt halten, fallen für BWL-Student Mähl Seminare aus. „Ich finde den Streik scheiße“, sagt der Erstsemestler geradeheraus, „weil wir bald Klausuren schreiben.“ Den Protest etwa gegen Studiengebühren teilt der 21-Jährige nicht. „Was nichts kostet, ist nichts wert“, meint der Bafög-Empfänger.
Mähl steht mit seiner Meinung nicht alleine da. Obwohl die Uni-Vollversammlung am Montag den hochschulweiten Streik beschlossen hatte, lief bis gestern in mehreren Fachbereichen wie den Wirtschaftswissenschaften der Betrieb weiter. Philosophenturm, Pädagogisches Institut und Geomatikum waren hingegen besetzt. „Ich wünschte, dass alle konsequent dicht sind“, sagte Malte Klingforth vom Streikkomitee. Am Nachmittag drangen etwa 50 Studierende in die Redaktion der Hamburger Morgenpost ein. Wie Politikstudent Henning Meyer berichtete, entfernte die Polizei sie aus dem Gebäude und nahm einen Teil der Gruppe in Gewahrsam. Am Vorabend hatten Protestler erfolglos versucht, die Live-Übertragung der tagesschau zu stören. In derselben Nacht beendeten Studierende die Besetzung des Büros von Uni-Präsident Jürgen Lüthje, nachdem dieser polizeiliche Räumung angedroht hatte. „Wir wollen unser Anliegen in die Öffentlichkeit tragen“, begründet Meyer die Aktionen.
In Lüthje sehen die Streikenden aber nur den Erfüllungsgehilfen des Rechts-Senats. „Der Wissenschaftssenator verkörpert all das, wogegen wir uns wenden“, so Besetzer-Sprecher Kingforth. Dazu gehören neben der bundesweiten Sparwut in der Bildung die von Behörden-Präses Jörg Dräger mit dem „Hochschulmodernisierungsgesetz“ (siehe Kasten) eingeführten Hochschulräte sowie Studiengebühren und -platzabbau. Neben dem Schutz kleiner Fächer fordern die Streikenden den Rücktritt des Hochschulrats. Das Gremium sei „undemokratisch“. Seine Besetzung belege, dass es vor allem wirtschaftliche Interessen vertrete. Die Gewerkschaften ver.di und GEW erklärten ihre Solidarität mit den Streikenden.
„Mit dem Hochschulrat setzt die Universität geltendes Recht um“, wies Universitätssprecher Peter Wiegand die Forderung der Protestler zurück. Er betonte, lediglich „eine kleine Gruppe“ stehe hinter dem Widerstand. Der Ansicht ist auch Senator Dräger. Im taz-Gespräch meinte er kürzlich, die Mehrheit der Studierenden wolle nicht streiken, sondern „schnell und gut studieren“.
Karsten Krauth denkt das auch. Im Studium ginge es schließlich „um Leistung, nicht nur um Selbstverwirklichung“, sagt der Geschichtsstudent. Der 24-Jährige steht vor dem Philosophenturm und ärgert sich über den Streik, „weil damit wenige viele vom Lernen abhalten“. Den Vorwurf will Besetzer-Sprecher Klingforth indes nicht gelten lassen. Er ist überzeugt: „Wäre die Mehrheit dagegen, ließe sich der Streik nicht durchführen.“