Über Männer und Bärte

„Montags in der Sonne“ ist ein kleiner Film mit großen Momenten: engagiertes und zugleich entspanntes Erzählkino

So eine Stellenanzeige kann einem den ganzen Tag versauen. Sie sind 25 bis 35 Jahre alt? Verfügen über ein angenehmes Äußeres? Fühlen sich fit in EDV? Und sind auch ganz bestimmt kein entlassener Werftarbeiter, der die letzten Monate in einer verlotterten Kneipe zugebracht hat? An solchen Tagen sagt Lino, um die fünfzig, gar nichts mehr. Seine Kumpels auch nicht. Nur Santa, der muss immer reden. „Die suchen Kinder“, meint der bärtige Exarbeiter, und wie immer ist nicht recht klar, ob er das aufmunternd meint. Fest steht nur, dass Santa, Lino, José und Amador auch den nächsten Montag an der Sonne verbringen werden, oder besser: an der frischen Luft. Die Sonne scheint nicht mehr im spanischen Vigo, seit die Werft allen Demonstrationen zum Trotz dichtgemacht hat. Am ehesten aushalten lässt es sich noch in Ricos Bar. Der Glückspilz hat die Abfindung gut angelegt.

Seiner sokratischen Erscheinung zum Trotz ist Santa weiß Gott kein Weiser. Aber er ist es, der mit seiner heiligen Wut den Laden zusammenhält. Das gilt für seine kleine Frustbrigade ebenso wie für „Montags in der Sonne“, ein Film, der es wohl nicht wegen seines Arbeitslosenthemas zum spanischen Sensationserfolg gebracht hat. Für zwei Millionen Zuschauer und den Preis als bester spanischer Film gegen Pedro Almodóvars „Sprich mit ihr“ braucht es ein bisschen mehr. Javier Bardem liefert eine wahrhaft imposante Vorstellung und genießt dabei seine Narrenfreiheit. Sein Santa weigert sich, die Straßenlaterne zu bezahlen, die er auf der großen Demo zerschmissen hat. Er macht Ricos minderjähriger Tochter schöne Augen. Als Arbeitsloser darfst du alles. Und kraft dieser Autorität erklärt er uns die Welt. Die Habgier der Bosse. Die Dumpingpreise koreanischer Schiffsbauer. Die Globalisierung. Nur was man gegen das ganze Elend tun kann, das weiß er leider nicht.

Regisseur Fernando León de Aranoa weiß es auch nicht, aber er kann sehr genau beschreiben, wie sich das anfühlt: ausgeschlossen zu sein, die Schuld bei anderen zu suchen, mit der Arbeit auch seine Identität zu verlieren. So wie Lino, der sich für sein nächstes Bewerbungsgespräch die Haare schwarz färbt und die Kleider seines Sohnes überzieht. Heraus kommt dabei engagiertes und doch entspanntes Erzählkino. Die Vision erschöpft sich in Santas geradezu rührendem Glauben an gewerkschaftliche Solidarität: Rico und die anderen hätten die Abfindung der Arbeitgeber niemals akzeptieren dürfen. Da schaut man doch lieber noch ein wenig tiefer in sein Glas.

Aber die Politik ist ja auch nicht die eigentliche Stärke des Films. „Montags in der Sonne“ ist ein Film über Männer. Über Männer mit Bärten. Über das, was von ihnen übrig bleibt, wenn man ihnen alles wegnimmt: die Arbeit, das Auto, die Frau, einen Grund, sich morgens zu rasieren. Es ist gar nicht so wenig. Im verletzten Stolz tritt eine Maskulinität zum Vorschein, die man im heutigen Kino kaum noch sieht. Ungestüm, zärtlich, zutiefst beleidigt können sie sein, diese ganz und gar unglücklichen Arbeitslosen, und manchmal auch herzlich albern. Dann freuen sie sich wie die Kinder über ein Tor von Celta Vigo. Obwohl sie von ihrem unbezahlten Platz hinter dem Stadiondach nur die andere Hälfte des Spielfelds sehen.

Wenn ein Lächeln über diese rauen Visagen huscht, grimmig bei Santa, unsicher bei allen anderen, schafft dieser kleine Film große Momente. Fernando Léon behandelt sein schweres Thema mit der Leichtigkeit, die einem bei seinem Vorbild Ken Loach bisweilen fehlt. Das Nichtstun, so seine Botschaft, ist alles in allem eine ziemliche Plackerei, aber es beinhaltet auch eine Freiheit. Und nicht zuletzt einen Platz an der Sonne. Wenn sie denn mal scheint. PHILIPP BÜHLER