: Bagdad ist auf der Suche nach Anschluss
Der Irak erhält sein erstes Mobilfunknetz. Mit von der Partie auf dem lukrativen Markt ist auch Siemens mobile
BAGDAD taz ■ Satellitenanschluss und Internetzugang sind in Bagdad kein Problem. Nur mit dem klassischen Medium der modernen Kommunikation, dem Telefon, da hapert es. Das Netz des US-Betreibers MCI ist nur einem Kreis um die Koalition, Politikern und NGO-Mitarbeitern vorbehalten. Glück hat, wessen Telefon wieder an das alte irakische Festnetz angeschlossen ist. Falls die Leitungen nicht überlastet sind oder der Strom ausfällt, kann er sogar Auslands- und Ferngespräche führen. Anderen bleibt nur der Griff zum arabischen Satellitentelefon Thuraya, das zuverlässig nur im Freien funktioniert – sofern der Kontakt nicht durch Betonwände gestört wird.
Das soll sich nun ändern. Bagdad bekommt sein erstes Mobilfunknetz. Unter Hochdruck werden Funkmasten hochgezogen und Kabel verlegt. Unklar ist jedoch, wie viele Anschlüsse in der Anfangsphase zur Verfügung stehen – die Mutmaßungen in den Medien bewegen sich zwischen 6.000 und 60.000.
Er schließe zwar Kaufverträge ab, wisse aber nicht, ob er sie einhalten kann, sagt Saif Jusuf, der in der quirligen Äußeren Karrada-Straße einen kleinen Laden für Mobiltelefone betreibt. Wie alle Händler bietet Jusuf die Simkarte nur im Paket mit Handy an. Die Karte kostet 69, das Telefon 120 Dollar. Seine Kunden seien vor allem Geschäftsleute, den Privatkunden sei die Investition oft noch zu riskant, so Jusuf. Das Handy bekommen die Kunden sofort, die Simkarte und Prepaidkarten zu 100, 200 oder 400 Minuten à 10 Cent erst, wenn das Netz steht. „Ich kann nur hoffen, dass alles gut geht“, sagt Jusuf.
Das ist typisch für die Startschwierigkeiten, mit denen der Irak nach Saddam zu kämpfen hat. Unter seinem Regime waren Mobiltelefone verboten. Nur im kurdischen Suleimanija gibt es seit ein paar Jahren ein leidlich funktionierendes Netz. Fachleuten gilt das Zweistromland so als einer der größten Wachstumsmärkte. Entsprechend begehrt waren die drei Lizenzen für den Nord-, Zentral- und Südirak.
Die Netze im Irak basieren auf dem GSM-Standard. Den Zuschlag für den Norden bekam der kurdische Betreiber Asia Cell, der mit der kuwaitischen Staatsgesellschaft Wataniya und der bahrainischen United Gulf Bank ein Konsortium gebildet hat. Die Lizenz für den Zentralirak erhielt der ägyptische Konzern Orascom Telecom, der mit einem jordanischen Geschäftsmann und einer Gruppe irakischer Geschäftsleute kooperiert. Im Süden machten die kuwaitische Betreibergesellschaft MTC und das irakische Unternehmen Atheer das Rennen.
Kaum war die Entscheidung gefallen, wurden Gerüchte laut, bei der Vergabe sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Orascom habe Bestechungsgelder gezahlt. Andere sahen in dem Zuschlag an die Ägypter ein Zuckerl für ein mit den USA befreundetes Land. Im Dezember leitete das Pentagon eine Untersuchung ein, fand aber keine Beweise für Unregelmäßigkeiten.
Die GSM-Lizenzen sind zwei Jahre gültig, danach sollen sie neu ausgeschrieben und der Markt für die Konkurrenz geöffnet werden. Mit von der Partie ist bereits jetzt Motorola, aber auch Siemens mobile. Mit einem Volumen von 8,6 Millionen Dollar sicherte sich Siemens den Auftrag, Asia Cell mit Komponenten für die Infrastruktur sowie mit Technologie für Netzfunktionen wie Prepaid auszustatten. Bereits in den ersten beiden Monaten des Netzausbaus ist die Zahl der Handybesitzer in Suleimanija um über 50 Prozent gestiegen. Bei Asia Cell schätzt man, dass die Zahl in zwei Jahren von jetzt 70.000 auf bis zu 2 Millionen steigen könnte.
Einen erklecklichen Marktanteil erhofft sich Siemens mobile auch beim Verkauf seiner Endprodukte. Diese seien begehrt, wie alles, was aus Deutschland kommt, sagt der Händler Jusuf. Allerdings auch zu teuer.
Er selbst hat an diesem Vormittag wenig Glück mit seiner Kundschaft. Wieder verlässt ein Kunde das Geschäft ohne Vertrag. Jusuf nimmt es gelassen. „Der große Run kommt noch“, sagt er. Bis dahin müsse er eben improvisieren. „Aber das haben wir ja gelernt.“ INGA ROGG