Zusammen fühlen wir uns gut

Am Dienstagabend feierte die Bundesregierung mit einem Festakt das zehnjährige Bestehen des Jobs des Kulturstaatsministers

Die Kanzlerin hatte es eilig. Wegen der Finanzkrise könne sie nicht ganz bis zum Ende bleiben, hatte Bernd Neumann, der Kulturstaatsminister, gleich zu Beginn angekündigt. Und so erhob sich denn Angela Merkel, während Ingo Metzmacher und eine Abordnung seines Deutschen Symphonie-Orchesters Mozart-Klänge anstimmten, und verließ den Saal. Vorher hatte sie noch eine reichlich uninspirierte Festrede gehalten.

Man kann Politiker ja derzeit in zwei Gruppen einteilen. Die einen finden Kunst und Kultur gut, weil diese Begriffe für Debatte, Lebendigkeit, Kreativität und Nichtkonformität stehen. Und die anderen finden Kunst und Kultur gut, weil sie für Einheit, Zusammenhalt, Identität und Werte stehen. Die Kanzlerin hatte sich eine Rede schreiben lassen, die klar in die zweite Richtung zielt. In ihrem Verlauf fielen alle Formeln, die derzeit in solchen Reden halt offenbar nicht fehlen dürfen: Kulturnation, Bildung, ethische Grundlagen, Orientierung in globalisierten Zeiten. Das sagen Politiker immer so oder so ähnlich, wenn sie sich als einerseits kulturoffen, andererseits als staatsmännisch präsentieren wollen.

In eine klare Sprache übersetzt, kann man den Auftritt Angela Merkels so zusammenfassen: Sie findet das Amt des Kulturstaatsministers okay, auch weil in seinem Bereich zurzeit alles einigermaßen läuft und von ihm aus kein Ärger droht. Es war während der Kanzlerinnenrede durchaus lohnend, einmal der anwesenden Kulturprominenz – von der Bundeskulturstiftungsvorsitzenden Hortensia Völckers bis zum Berliner Akademie-der-Künste-Präsidenten Klaus Staeck, vom Grüßaugust der Literaturszene Moritz Rinke bis zur Schauspielerin Jasmin Tabatabai – ins Gesicht zu sehen. Keine Miene verzog sich, als die Kanzlerin sagte, Kulturförderung sei „keine Subvention, sondern Investition in ein lebens- und liebenswertes Deutschland“. Damit hat sie die Kultur mal eben auf eine Höhe mit Wellness- und Freizeitangeboten, kulinarischen Attraktionen und sonstigen Events gebracht. Eine Kulturszene, die da nicht zumindest zusammenzuckt, ist jeglicher diskursive Zahn gezogen.

Man hat sich eingerichtet mit der derzeitigen institutionellen Verfasstheit des Bundeskulturpolitik. Das brachte die ganze Feierstunde zum zehnjährigen Bestehen des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (so der offizielle Titel) am Dienstag in Berlin zum Ausdruck. Als Ort hatte man sich für den Innenhof des Martin-Gropius-Baus entschieden, also fürs dekorative Ambiente. Neben Metzmacher trat im musikalischen Rahmenprogramm der Posaunist Nils Lundgren auf, der sein Instrument beim Spielen einmal komplett auseinander nahm und wieder zusammensetzte und damit einen nicht nur staatstragenden Kulturbegriff vorführen durfte. Die drei Vorgänger Bernd Neumanns – Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss – waren der Einladung gefolgt, saßen dann zusammen mit dem derzeitigen Amtsinhaber auf dem Podium und gaben brav darüber Auskunft, wie sich jeweils in ihrer Amtszeit so fühlten. Immerhin Michael Naumann zeigte Lust an ätzender Intellektualität: „Man stelle sich vor, zehn Jahre Landwirtschaftsministerium – was hätte der Metzmacher wohl gespielt?“ Und Bernd Neumann produzierte noch die nötige tickerfähige Nachricht, indem er Interesse an einer weiteren Amtszeit als Kulturstaatsminister artikulierte.

Der Festakt war einerseits ganz in Ordnung, andererseits etwas langweilig. Er brachte zum Ausdruck, dass sich die Kultur in der Bundespolitik etabliert hat. Und immerhin weiß man jetzt, was die Kanzlerin von der Kultur erwartet: Liebenswürdigkeit. Aber im Zweifel gehen Finanzkrisen vor. DIRK KNIPPHALS