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Archiv-Artikel

Hirte entlässt Schäfchen

Die katholische Kirche in Berlin steht kurz vor der Pleite. Deswegen ist nun Schrumpfkur angesagt: Mindestens 440 Stellen sollen abgebaut werden. Sogar über Kirchenabriss wird nachgedacht

von STEFAN WELLGRAF

Es ist nicht mehr zu vermeiden: Ausgerechnet die Kirche muss ihre eigenen Mitarbeiter entlassen. In einer Pressemitteilung des Erzbistums Berlin heißt es unmissverständlich: „In Anbetracht des Umfangs der für die Sanierung zwingend zu erbringenden Personalkostensenkungen erscheint es unwahrscheinlich, dass auf Kündigungen insgesamt verzichtet werden kann.“

Betroffen sind alle Bereiche des kirchlichen Lebens. Insgesamt soll etwa jede sechste Stelle ersatzlos gestrichen werden. Vorgesehen ist zunächst die Streichung von 300 Stellen in den Gemeinden. Zugleich sollen 140 Stellen in der nicht direkt den Gemeinden unterstehenden Seelsorge abgebaut werden. Letzteres könnte das Ende für die katholische Kranken- und Gefängnisseelsorge in einigen Einrichtungen bedeuten.

Manche soziale Dienstleistungen der Kirche werden aller Voraussicht nach vollständig eingestellt werden. So wird sich das Bistum wohl komplett aus dem Pflegedienst zurückziehen. In diesem Bereich arbeiten private Anbieter mittlerweile deutlich kostengünstiger.

Auch in der zentralen Verwaltung des bischöflichen Ordinariats wird es zu drastischen Einschnitten kommen. Hier soll die Mitarbeiterzahl um fast 40 Prozent gesenkt werden. Dies bedeutet, dass der Bischof die unangenehme Aufgabe haben wird, einen Teil seines eigenen Mitarbeiterstabes zu entlassen. Um den Abbau von weiteren 75 Vollzeitstellen zu vermeiden, versucht das Bistum derzeit aus den geltenden Tarifverträgen auszusteigen. Zudem sollen Immobilien wie Mietshäuser und Grundstücke verkauft werden.

Die katholischen Schulen sollen zunächst von den Einsparungen ausgenommen werden. Sie werden ohnehin vor allem durch staatliche Zuschüsse finanziert. Sollte es aber nicht zu einer Konsolidierung des Bistumshaushaltes kommen, ist auch die Schließung von katholischen Schulen und Kindergärten nicht mehr ausgeschlossen.

In den Berliner Gemeinden werden wohl vor allem Diakone, Küster, Hausmeister, Sekretärinnen, Reinigungskräfte und Kirchenmusiker gehen müssen. Auch Priester, die eigentlich in einer Art Beamtenstellung engagiert sind, müssen um ihre Stelle fürchten. Zehn Prozent der Berliner Pfarrer sind aber ohnehin bereits über 60 Jahre alt. Viele der Berliner Gemeinden werden in den kommenden Jahren aus Kostengründen zusammengelegt werden. Seit der Wende mussten als Folge steigender Kirchenaustritte bereits 50 Gemeinden fusionieren. Diese Entwicklung wird die Nichtbewirtschaftung oder den Verkauf von Pfarrhäusern und Gemeindezentren zur Folge haben. Auch die Aufgabe von Kirchen kann nicht ausgeschlossen werden.

Dies könnte problematisch sein, denn das katholische Verständnis vom Kirchenraum lässt, anders als bei der evangelischen Kirche, nur eine kirchliche Nutzung der Gebäude zu. Eine mögliche Teilvermietung an Konzertveranstalter oder Restaurantinhaber ist deshalb nicht möglich.

Die endgültige Entscheidung darüber, wer seinen Job verlieren wird, fällt in den nächsten Wochen. Die Sparmaßnahmen allein werden aber nicht zur Lösung der Finanzprobleme des Bistums ausreichen. Kommt keine Hilfe von anderen Bistümern, werden wohl noch mehr Katholiken von ihrem Oberhirten auf die Straße gesetzt werden.