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Archiv-Artikel

Bio kaufen, Bauern helfen

Wer Ökolebensmittel kauft, lebt nicht nur gesünder, sondern rettet auch die nachhaltig produzierenden Landwirte

AUS BERLIN NICK REIMER

Der Biodieselmarkt boomt. „Die Erwartungen wachsen zurzeit schier in den Himmel“, heißt es in der aktuellen Marktanalyse des Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft. Lagen die Biodieselpreise 1999 noch bei 61 Cent je Liter, so erzielten Rapsbauern vor Jahresfrist fast 75 Cent.

So weit die gute Nachricht. Jetzt die schlechte: Auf dem Biomilchmarkt herrscht Katerstimmung. Weil die Nachfrage eingebrochen ist, müssen deutsche Biobauern fast ein Drittel ihrer Produktion als konventionelle Milch verkaufen. Wenn sie die überhaupt noch loskriegen (siehe Kasten rechts). „Erstmals seit Jahren stagnierte 2003 der Zuwachs der Biolandwirtschaft“, erklärt Markus Reppin, Abteilungsleiter für Ökolandbau bei der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle (ZMP). Zwar verzeichnete der Bundesverband Naturkost ein leichtes Umsatzplus von knapp 2 Prozent. „Im Lebensmitteleinzelhandel gibt es aber ein deutliches Minus“, so Reppin. Die Biobranche hat 2003 etwa 3 Milliarden Euro umgesetzt – so viel wie 2002. Nur 2,3 Prozent aller Lebensmittel waren 2003 also bio.

Stagnation, 2,3 Prozent, Minus … klang das nicht mal anders? „Wir wollen in zehn Jahren einen Bioanteil von 20 Prozent erreichen“, gab Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast Anfang des Jahrhunderts als Parole aus. Eine Legehennenverordnung hier, ein staatliches Biosiegel da – man kann Künast nicht vorwerfen, untätig gewesen zu sein. Allein: Es geht nicht mehr voran.

„Die Richtung der Aussagen von Renate Künast stimmt. Im Detail aber verliert sie viel von ihren hehren Ansätzen“, urteilt Thomas Dosch, Vorstandssprecher des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Pragmatismus regiere im Detail, besondere Schritte, dieses Ziel auch umzusetzen, seien nicht zu erkennen. „Zum Beispiel bei der EU-Agrarreform. Künast könnte die Umstellung auf Flächenprämien schneller, ökologischer und effektiver gestalten.“

EU-Agrarreform, Flächenprämien … eine komplizierte Materie. Bislang funktioniert Landwirtschaft nach der Formel: Bauer mal Produktion ist gleich Subvention. „Nach diesem Prinzip“, so Dosch, „erhalten natürlich extensiv arbeitende Bauern – also solche, die Herbizide, Pestizide, Proteine einsetzen – mehr Geld als Biobauern.“ Ab 2005 soll deshalb die Formel lauten: Summe aller EU-Subventionen für Deutschland dividiert durch bewirtschaftete Fläche gleich Einkommen der Bauern. Dosch: „Das ist ein gigantisches Umverteilungsprogramm.“

Entsprechend groß sind die Widerstände der konventionellen Landwirtschaft. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner erklärte gestern in seiner Eröffnungsrede zur Grünen Woche etwa, die Förderung müsse so gestaltet werden, dass nicht ein paar Hobbybauern zu Geld kommen, sondern dass leistungsfähige Betriebe in ihrer Existenz gesichert würden. Dosch: „Renate Künast gibt diesem Druck zu oft nach.“

EU-Osterweiterung, das neue Gesetz zur grünen Gentechnik … die EU-Agrarreform ist nicht der einzige Unsicherheitsfaktor der Ökobauern. Deshalb ist BÖLW-Vorstand Dosch mit dem Jahr 2003 ganz zufrieden: „Die Fläche, die die Mitgliedsbetriebe bewirtschaften, stieg um 4,5 Prozent.“ In Deutschland werden jetzt 515.000 Hektar ökologisch bewirtschaftet – eine Fläche doppelt so groß wie das viel zitierte Saarland. Allerdings gibt es vereinzelt auch Betriebe, die von bio wieder auf konventionell umgestellt haben (siehe Text unten).

Agrarwende, Konjunkturflaute, bio, konventionell … Hauptproblem der Landwirte ist der Handel. „Praktisch bestimmen sechs Einkaufszentralen das Marktgeschehen“, kritisierte gestern Gerd Sonnleitner. „Molkereien, Schlachthöfe, Mühlen – das setzt unsere Marktpartner erheblich unter Druck. Und die wälzen den ihrerseits beim Rohstoffeinkauf auf die Landwirte ab.“ Thomas Dosch sieht das ganz ähnlich: Gerade mal ein Drittel des Milchpreises komme bei den Bauern an.

ZMP-Experte Markus Reppin macht für die Stagnation „die schwierige konjunkturelle Lage“ verantwortlich. Die typische Bioladenklientel würde sich davon zwar nicht beeinflussen lassen, das zeigten die Umsatzzahlen der Naturkostläden. „Wirkliche Zuwächse lassen sich aber nur in Supermärkten erzielen. Dort schauen die Kunden eben zuerst ins Portmonee und dann auf die Qualität.“ Die Folge: Premiumprodukte bleiben öfter im Regal stehen. Der Supermarkt-Absatz von Biomilch etwa ging 2003 um 20 Prozent zurück.

Wenn Renate Künast sich bei ihrem Messerundgang heute die Kritik der Branche anhören muss, bleibt ihr immerhin ein Trost: Mit 900.000 Tonnen Jahresproduktion ist Deutschland Biodieselweltmeister.