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In allerletzter Minute

Bewerbungsfrist für Uni-Studienplatz abgelaufen: Zahlreiche Spätentschlossene suchen Rat in der „Nacht der Entscheidung“. Studienberater beklagen Hilfen-Abbau und geißeln Elite-Debatte. Druck führe zu „Verweigerung und Krankheit“

Von EVA WEIKERT

Houdra Tafeche kann sich nicht entscheiden: Deutsch oder Englisch, Philosophie oder Geschichte? Die 25-Jährige sitzt auf einer Bank im Hauptgebäude der Universität und grübelt über einem Zulassungsantrag zum Studium. Neonlicht erhellt den Flur, draußen ist es Nacht und zuhause liegen die zwei Kinder der Eimsbüttlerin längst im Bett. Trotz der späten Stunde stehen an der Uni die Büros von Studienberatung und Zulassungsstelle weit offen, Menschen laufen rein und raus, einer hat Kekse, ein anderer Sekt dabei. Houdra Tafeche bleiben noch 90 Minuten Zeit.

Um Mitternacht endete am Donnerstag die Bewerbungsfrist für einen der begehrten Studienplätze an Hamburgs größter Hochschule. Allein 17.800 Menschen bewarben sich zum vergangenen Wintersemester auf rund 5.000 Anfängerplätze. Zum zweiten Mal lud die Uni jetzt Spätentschlosse zur „Nacht der Entscheidung“: Bis 24 Uhr halfen Psychologen und das Team der Zulassungsstelle bei Fächerwahl und den 7-seitigen Zulassungsanträgen. Fast 90 Ratsuchende kamen kurz vor Toresschluss, der letzte eine Minute vor Zwölf.

Der Service folgt der Absicht von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), die Betreuung der Studierenden zu intensivieren. Dräger will das erreichen, in dem er unter anderem Studienanfängerplätze abbaut – eine Strategie, gegen die Studierende derzeit massiv protestieren (siehe Text unten). Trotz offizieller Linie, die Betreuung zu steigern, wurde der Studienberatung zum 1. Januar eine Mitarbeiterstelle gestrichen, wie Leiter Peter Figge berichtet. Dabei suchen dort jährlich rund 30.000 Menschen Hilfe. Figge sagt: „Ein Andrang, den wir mit 8,5 Stellen nicht bewältigen können.“ Die Betreuung von Anfängern sei besonders wichtig, wie Statistiken lehrten. Demnach brechen 40 Prozent bis zum zweiten Semester die akademische Ausbildung ab.

Figge sieht den Grund in einem „Mangel an Orientierung“. Er plädiert darum für das Angebot eines freiwilligen Schnupperstudiums. Zugleich erzeuge die bundesweite Diskussion über die Etablierung von „Elite-Unis“ und Studiengebühren sowie Zwangsexmatrikulationen „sehr großen Druck für Studierende“. Wie der Psychologe warnte, „drückt sich der Druck nicht in Leistung aus, sondern in Verweigerung und Krankheit“. Sein Kollege Axel Schoeler bemängelte, schärfere Auswahlverfahren wie vom Senator avisiert, widersprächen dem Grundgesetz, das freie Berufswahl garantiere.

Schoeler hat Houdra Tafeche empfohlen, Geschichte und Philosophie auf Lehramt zu studieren. Sie räumte ein: „Das entspricht zwar nicht ganz meinen Neigungen, aber damit habe ich bessere Chancen auf Zulassung.“