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Archiv-Artikel

Zwischen Ämtergang und Aldi

Das Ortsamt West beweist Bürgernähe. Auf eigenen Wunsch zog die Institution jetzt ins Walle Center, das sich – mangels Marktplatz – mittlerweile zu einem wichtigen Treffpunkt für die Einwohner entwickelt hat

Bremen taz ■ Seit er vor drei Jahren Leiter des Ortsamts West wurde, hat Hans-Peter Mester um den Umzug aus der Elisabethstraße 135 gerungen. Nun ist es so weit: Er sitzt in seinem frisch tapezierten Büro im Walle Center. Zwar sind die Räumlichkeiten 200 Quadratmeter kleiner als im früheren Amt, aber Mester ist vollauf zufrieden: „Zum einen ist es viel biliger hier, schon weil wir keine 4,60m hohen Zimmer mehr beheizen müssen, zum anderen war das Haus in der Elisabethstraße für unsere Zwecke nicht besonders gut geeignet.“ Solche alten Amtsgebäude flößten den Menschen unnötig Respekt ein. Dabei hätten viele ausländische Bürger ohnehin schon Berührungsängste, was deutsche Ämter angehe, das könne man in einem Stadtteil mit einem Ausländeranteil von 20 Prozent nicht ignorieren: „Natürlich hat das 1896 errichtete Gebäude, in dem wir bisher untergebracht waren, seinen Reiz, aber es handelt sich eben um ein Schulgebäude.“

Diesem Zweck soll das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk auch wieder zugeführt werden, zumindest, wenn es nach Mester geht. Noch allerdings ist dort das Meldeamt untergebracht. Der Ortsamtsleiter hätte auch diese Einrichtung gerne im Walle Center gesehen, als „gläsernes Amt“ mit Schaufenster nach draußen. „Es wäre doch toll, wenn man die anfallende Wartezeit nutzen könnte, um eben zu Aldi zu gehen“, entwirft er seine Vision von gutem Service. Ex-Innensenator Böse schmetterte dieses Ansinnen seinerzeit mit der Begründung ab, damit rücke die Meldestelle zu dicht ans BürgerServiceCenter Mitte in der Pelzerstraße heran. Mit dem neuen Innensenator Röwekamp hofft Mester nun auf eine zweite Chance für seine Idee.

Immerhin: Sein Amt beweist mit dem Einzug ins Walle Center bereits jetzt Bürgernähe. Seit der Eröffnung im Jahre 1999 nämlich hat sich der 28.130 Quadratmeter große Mammutbau zu einem Treffpunkt der 27.000 Einwohner Walles entwickelt. Auch deshalb, weil man hier das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann. „Hier kann ich mich in der Mittagspause entspannen und nebenbei auch noch eben einkaufen“, begründet ein junger Herr im Blaumann seinen Aufenthalt in der Mall des Zentrums. Neben seinem Kaffeebecher liegt eine Tüte von Deichmann auf dem Tisch. Auch die Ruhebänke sind ausgelastet. Eine Gruppe älterer Türken debatiert gutgelaunt, als stünde sie auf einem Marktplatz. Den aber gibt es in Walle nicht. „Der Ortsteil war nach dem Krieg fast flächendeckend zerbombt“, sagt Hans-Peter Mester. Danach sei es nur noch um die schnellstmögliche Wiederherstellung des verlorenen Wohnraums gegangen. Gewachsene Strukturen? Fehlanzeige.

So wohl sich die Besucher des Geschäftszentrums offensichtlich fühlen – in der Nachbarschaft sind nicht alle glücklich. So beklagt die Verkäuferin einer Fleischerei den Schwund kleinerer Geschäfte an der Waller Heerstraße: „Früher hatten wir hier zwei Bäcker, die sind beide eingegangen. Nur ein paar Imbisse haben sich halten können.“ Mester sieht das gelassen: „Wer seine Stammkundschaft hat, kann sich auch halten.“ Natürlich haben sich auch die Einkaufsgewohnheiten geändert. Inzwischen ist es eben üblich einmal die Woche alles einzukaufen. Dem trägt so ein Zentrum Rechnung. Jetzt lässt sich der Großeinkauf sogar noch durch einen Ämtergang ergänzen. Christoph Kutzer