: Rot-Grün sorgt sich um himmlische Ruhe
Zweimal schon stand ein verbesserter Schutz vor Fluglärm im Koalitionsvertrag von Rot-Grün. Bis April soll endlich das neue Fluglärmgesetz ins Parlament kommen. Für den Verkehrsclub Deutschland sind die Vorschläge nur ein Minimalkompromiss
AUS BERLIN MICHAEL SITTIG
Papier ist geduldig. Erst recht, wenn Koalitionsvereinbarungen darauf stehen. Schon seit 1998 verspricht die rot-grüne Bundesregierung eine Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm. Schon für das Jahr 2003 hatte Staatssekretärin Simone Probst ein neues Gesetz angekündigt. Es soll u. a. die Lärmgrenzwerte in der Nähe von Flughäfen sowie Nachtschutzzonen senken. Eine Novellierung scheiterte bislang aber immer am Streit zwischen SPD und Grünen, dem Verkehrs- und dem Umweltministerium. Nun soll es dann doch endlich eine Neuauflage des Gesetzes geben.
Wie die parlamentarische Staatssekretärin des Bundesumweltministeriums, Margareta Wolf (Bündnis 90/Die Grünen), der taz gestern am Rande einer Tagung des Verkehrsclubs Deutschland zu „Maßnahmen gegen Verkehrslärm“ mitteilte, soll die Novelle zum Fluglärmgesetz nun bis spätestens April dieses Jahres in den Deutschen Bundestag eingebracht werden. Momentan gebe es nur einen nicht öffentlichen Referentenentwurf, der mit den anderen Ministerien abgestimmt werde.
Das derzeitig gültige Fluglärmgesetz stammt aus dem Jahr 1971. Es ist seitdem nahezu unverändert geblieben und gilt unter Lärmschutzexperten inzwischen als völlig veraltet. Denn immerhin hat sich in Deutschland die Anzahl gestarteter und gelandeter Flugzeuge mehr als verdreifacht, und zwar von gut 800.000 im Jahr 1970 auf 2,9 Millionen im Jahr 2001. Da kann auch eine bessere Technik nicht für Ruhe sorgen. Daniel Kluge, Pressesprecher vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), sagt: „Nur ein Teil der Lärmzunahme wurde mit leiseren Triebwerken aufgefangen.“
So ist in flughafennahen Gebieten noch ein Dauerschallpegel von 75 Dezibel erlaubt. Und in einer angrenzenden Schutzzone darf der Grenzwert derzeit noch 67 Dezibel betragen. Zum Vergleich: Ein im Abstand von 7,5 Metern vorbeifahrendes Auto hat einen Geräuschpegel von 70 bis 85 Dezibel. „Die geltenden Werte sind jenseits von Gut und Böse“, sagte dementsprechend der Lärmexperte des Verkehrsclubs, Helmar Pless, auf der gestrigen Tagung .
Bei der Neufassung des Fluglärmgesetzes – soviel ist dann doch schon bekannt – sollen die Grenzwerte gerade mal auf 65 beziehungsweise 60 Dezibel sinken. „Wir können diese Werte zähneknirschend akzeptieren“, so Pless. Der VCD favorisiert allerdings die Werte von 60 und 55 Dezibel.
Denn mittlerweile ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Fluglärm von 65 Dezibel tagsüber und 55 Dezibel nachts die Gesundheit der Anwohner gefährdet, Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen kann. Ein Viertel aller Deutschen fühlt sich durch Krach belästigt.
Etwas Gutes gibt es dann doch zu vermelden: Die Novelle zum Fluglärmgesetz will erstmalig Nachtschutzzonen ermöglichen. Darin sollen strengere Dezibelwerte gelten.