: Nur der Blinde sieht hier alles
Das Science Center Universum lädt ein zu einer sinnlichen Reise: „Dinner im Dunkel“. Die Erfahrung des absoluten Nichts-Sehens. Wer nichts sieht, lernt seinen Ohren und seinem Tastsinn zu trauen
taz ■ „Klaus, bist du noch da?“, fragt mich meine Tischnachbarin. Ich hatte vielleicht drei Minuten geschwiegen. Das schafft Verunsicherung beim „Dinner im Dunkeln“. Denn „da“ ist im Stockfinsteren nur, was tönt.
Das Science Center Universum ist auf die grandiose Idee gekommen, ein „Dinner im Dunkeln“ anzubieten, ab April jeden Montag erst einmal testweise. In Hamburg, Köln und Berlin gibt es das bereits. Eigentlich zählt das Universum die Verköstigung nicht zu seinen Aufgaben, aber eben die Erweiterung sinnlicher Erfahrungen.
Beim Dinner im Dunkeln sieht man schlicht nichts. Wie in einer kleinen Polonaise werden die Gäste – drei oder vier pro Tisch – durch die drei schweren schwarzen Vorhänge in den stockfinsteren Raum geführt. Als Kellner eignen sich die Vertreter des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins, weil sie sich im Dunkeln orientieren können. Nach dem ersten Schock bietet sich der Stuhl als die „Nummer sicher“ an. Sitzt man, kann man schon mal nicht mehr fallen.
„Möchten Sie sich selber einschenken, oder soll ich das tun?“ fragt der Kellner. Oh Gott! Meine Mutter hat mich früher mit dem „Klicker-Klacker-Klacker-Klaus“ geärgert. Nein, selber einschenken. Vorsichtig fühle ich mit dem oberen Rand der Flasche den oberen Rand des Glases. Das sieht sicher unbeholfen aus. Es plätschert, sehr gut. Wieviel ist wohl drin im Glas? Wer gewohnt ist, zu sehen, hört das nicht.
Und dann kommt das Essen. Der Kellner bringt es heran, als hätte er eine Infrarotbrille auf der Nase. Vorsichtig, heiß. „Haben Sie ihn?“ – „Nein, ja, ich habe ihn.“ Was da drauf ist? Keine Ahnung. „Soll ich mit den Fingern mal hineintasten?“, fragt meine Tischnachbarin. „Sieht ja keiner.“ Ich stochere lieber mit der Gabel. Da. Es bleibt etwas hängen. Ich finde den Mund. Schmeckt gut, aber was ist das? Das Gespräch am Tisch dreht sich um diese Frage.
Bis es „klirr“ macht und eine Flasche umfällt. Wer war das? Zum Glück nur Weißwein. Und zum Glück stand die Flasche in der Mitte des Tisches. Nein, kein Glück. Alle Flaschen stehen in der Mitte an ihrem Platz.
„Ist das immer so kompliziert, wenn man nichts sieht?“ Da unser Scout blind ist, kann er uns alles erklären. Ordnung und Pünktlichkeit sind für Blinde eine Überlebens-Technik. Nichts ist schlimmer als eine Reinigungskraft, die Staub wischt. Danach ist alles weg und muss mühsam neu ertastet werden.
Ist die Wand weit oder zum Greifen nah? Wo ist meine Serviette? Weg. Klaus Wolschner
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