: Stapeln statt proben
Im Musicaltheater am Richtweg fehlen die Lagerflächen. Das zwingt die Theaterwelt, sich langsamer zu drehen
Die Theaterwelt ist ein Rechteck, 16 Meter breit, 14 Meter tief. Wenn man an ihr Ende kommt, trifft man auf eine massive Jalousie. Dahinter geht es senkrecht in die Tiefe und man landet in einer Gasse. Direkt unter den Amtsstuben des Finanzsenators.
Gebremst wird der Fall derzeit von einer Laderampe. Sie ist das logistische Herzstück dieser Theaterwelt – ein Herzstück an der Außenmauer, denn die Erbauer des Musicaltheaters am Richtweg dachten seinerzeit nur an Ensuite-Betrieb, und das heißt: Eine Produktion mit einer Kulisse läuft Abend für Abend, monatelang. Wenn dann wirklich mal was Neues auf die Bühne muss, tut‘s die Jalousien-Öffnung. Vier mal vier Meter müssen reichen.
Was damals zum Musicaltheater-Weltbild gehörte, macht dem Bremer Theater heute große Schwierigkeiten. Bis Juni 2004 ist das Bremer Theater Zwischenmieter im Musicaltheater am Richtweg, zeigt dort Schauspiel und vor allem seine Musiktheaterproduktionen, so lange das Theater am Goetheplatz wegen Umbau unbespielbar ist. Nach wie vor soll der Spielplan abwechslungsreich sein, soll Repertoire-Theater gespielt werden, allein: Es fehlt Lagerfläche für die Kulissen.
Also operiert der technische Direktor des Bremer Theaters, Carsten Schmid, mit Containern: Das „Cabaret“-Bühnenbild beispielsweise lagert in sechs Überseecontainer verpackt im Güterverkehrszentrum, wird für jede Vorstellung angeliefert, entladen, aufgebaut und in einer Nachtschicht wieder zerlegt und zurückgekarrt. Am Ende der Spielzeit, nach allen Premieren, werden im Güterverkehrszentrum insgesamt fünfundzwanzig Kulissen-Container stehen. Allein für Transport und Zusatzpersonal entstehen Kosten von 200.000 Euro.
Was dagegen völlig wegfällt, ist die Möglichkeit im Musicaltheater zu proben: Der Zeitaufwand für den Aufbau von „Cabaret“ beträgt elf Stunden. Im Theater am Goetheplatz stand „Cabaret“ in fünf Stunden auf der Bühne. Denn da gibt es nicht nur eine Hinterbühne und eine Seitenbühnenfläche, „dort haben wir alle Kulissenmagazine im Haus“, so Carsten Schmid. Ein Aufzug mit sieben Meter Höhe führt in den „Tiefkeller“, in dem Kulissen von bis zu zehn Produktionen gelagert werden können. Möglich werden dadurch Englische Theaterwochen. Intendant Klaus Pierwoß: „Im Dezember 2001 hatten wir im Theater am Goetheplatz in einem Monat 46 Aufführungen.“
Am Richtweg wird es trotz der Umstände sieben Musiktheaterpremieren geben – die Anzahl der Premieren bleibt gegenüber den Zeiten am Goetheplatz unverändert. Zurückgefahren wird nur die Häufigkeit des Programmwechsels: Die Theaterwelt dreht sich langsamer. So lange, bis es vor ihrem Ende wieder einen Aufzug gibt.
Klaus Irler