: Wer bin ich, wer bist denn du?
Wer mit sich so rundum im Reinen ist, sollte sich vielleicht zur aufstachelnden Verunsicherung mal wieder den „Amphitryon“ anschauen. Mit dem verwirrenden Lustspiel von Heinrich von Kleist gibt das Neue Theater Berlin seine erste Arbeitsprobe ab
Weil sich Gott (oder die Götter) immer so undeutlich äußert, müssen halt die Menschen auch noch diesen Job übernehmen und das Götterdenken in die richtige Form bringen. Herausgelesen aus dem Gewölle zerrupfter Vögel, gedeutet aus der Tasse im Kaffeesatz, oder – was man dann wohl den Prozess der Zivilisation nennt – etwas vornehmer nach der literarischen Gantenbein-Methode: Also, ich stelle mir vor, so als Gott ... was dann in Folge stets vom Olymp in die niedereren Gesellschaftsschichten der Menschen führt, und das Neue Theater Berlin interessiert sich dabei für derlei Fragestellungen wie: Was geschieht, wenn ein Gott auf die Erde herabsteigt? Was denkt ein Gott über Tugend, Moral, Ehre? Solche Sachen, wie sie in Heinrich von Kleists „Amphitryon“ verhandelt werden, dieses allgemeine Verwirrspiel, in dem Jupiter in der Gestalt des Amphitryons mit Amphitryons Gattin Alkmene (bis dahin alles klar?) eine Nacht verbringt. Nichts ist, wie es zu sein scheint. Täuschung als Lebensprinzip. Täuschung aber treibt auch das Leben voran, was die Theatergruppe in ihrem ersten Projekt unter der Leitung von Anja Scheffer mit Kleists tiefsinniger Heiterkeit auf die Bühne bringen will, die noch auf die Spitze getrieben werden soll.